Carbon Bubble Crash
Marlene Buchinger
Februar 2022
Marlene Buchinger
Februar 2022
Wunsch und Wirklichkeit klaffen derzeit weit auseinander: Wir wissen, dass die CO2-Mengen, die unser Lebensraum noch verträgt, rapide zur Neige gehen. Doch gleichzeitig investieren wir Milliarden in Technologien, die diese Veränderung im wahrsten Sinne befeuern. Was ist die Carbon Bubble? Wann wird sie platzen? Und was können wir dagegen tun?
Wenn wir noch irgendwie das 1,5 Grad Ziel schaffen wollen, bleiben uns noch etwas weniger als 7,5 Jahre Zeit. 1,5 Grad Ziel bedeutet den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wenn Sie der Meinung sind, das sei nicht viel, dann gebe ich zu bedenken, dass die 1,5 Grad vor allem durch die großen Meeresflächen begünstigt werden, die sich nicht so schnell erhitzen. Auf Landmassen, also in Gebieten wie Österreich oder Deutschland, bedeuten 1,5 Grad globaler Durchschnitt entsprechend 3 bis 4 Grad mehr und das ist für jede:n von Bedeutung.
Die Erkenntnis das rasches Handeln nötig ist, hat sich herumgesprochen – sogar in der Finanzwelt, wie die folgenden Zitate zeigen:
„My personal view is that any institution has to have climate change risk and protection of the environment at the core of their understanding of their mission. […] [The ECB’s] primary mandate is price stability, of course. But it has to be embedded that climate change and environmental risk are mission-critical.“
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, September 2019 (1)
“Put simply, Barclays fully understands our corporate responsibility in respect of climate change. We are a supporter of the goals of the Paris accord. And we will keep our policy position under constant review to ensure that our actions align with those goals.”
James Edward Staley, CEO Barclays, Mai 2019 (2)
Solche Aussagen, Absichtsbekundungen und ähnliches hat es in den letzten Jahren schon viele gegeben. Mir fällt in diesem Zusammenhang immer der Begriff „Greenwashing“ ein.
Wenigstens gibt es NGOs, wie BANKTRACK die Finanzinstituten auf den Zahn fühlen und fundierte Recherchen anstellen. Beispielsweise veröffentlicht die Organisation jährliche Berichte. Sie gehen darin dubiosen Deals der Banken auf den Grund und betrachten deren Auswirkungen auf die Bereiche Energie und Klima, Menschenrechte und Natur, etwa den Einfluss von Finanztransaktion auf den Regenwald.
Gemeinsam mit anderen Organisationen, wie dem Rainforest Action Network und dem Indigenous Environmental Network, hat BANKTRACK die Webseite „Bankingonclimatechaos“ aufgesetzt.
Der dort jährlich erscheinende Bericht „Fossil Fuels Finance Report“ lässt einem die Haare zu Berge stehen. Die betrachteten Bereiche reichen von der Förderung von Ölsanden, Fracking, Öl- und Gasbohrungen offshore und sogar in der Arktis bis hin zum Kohleabbau. Detailliert werden die Investitionen der Banken in den verschiedenen Bereichen aufgelistet und der ganze Wahnsinn lässt sich wie folgt zusammenfassen (3):
Hinzu kommt ein weiteres schwerwiegendes Problem, welches mit dem Incentivierungssystem vieler Unternehmen begründet ist. Aufgrund der Tatsache, dass Boni und andere Sonderzahlungen auf kurzfristige Ziele ausgerichtet sind, werden diejenigen, die die strategische Krise ignorieren oder schlichtweg nicht erkennen, persönlich die Konsequenzen nicht zu spüren bekommen. Im Gegenteil, wenn Entscheider aus der Gegenwart Ansätze einer strategischen Bedrohung erkennen und daraus motiviert anfangen zu handeln, beispielsweise indem sie in neue Technologien investieren, schmälern sie das operative Ergebnis in der Gegenwart. Auch wenn diese Investition langfristig für das Unternehmen wichtig sein kann, so hängt trotzdem der persönliche Bonus des Managements am operativen Ergebnis der Gegenwart oder nur weniger Jahre danach. So werden in vielen Unternehmen keine unternehmerischen Anreize gesetzt, sondern oft nur persönliche Ziele verfolgt.
Für Europa und die europäischen Finanzinstitute hat sich die Plattform ShareAction in deren aktuellen Report interessiert, welcher am 14.02.2022 erschienen ist. ShareAction hat sich zur Aufgabe gemacht Standards für nachhaltige Investments zu erarbeiten. Leider sieht es in Europa in diesem Bereich auch nicht wirklich besser aus, denn ShareAction kommt zu dem Schluss (4):
Wenn Ihnen BANKTRACK oder ShareAction zu progressiv sein sollten, dann empfehle ich die Internationale Energieagentur (IEA), die alle Energiearten weltweit betrachtet und als eine Untereinheit der OECD Interessen der Mitglieder, allesamt Industrienationen, vertritt. Daher freut es mich umso mehr, dass auch hier der Ruf nach Veränderung laut wird:
Als Hauptverursacher globaler Emissionen ist der Energiesektor der Schlüssel zur Bewältigung der globalen Klimaherausforderung. Trotz vieler Zusagen und Bemühungen der Regierungen, die Ursachen der globalen Erwärmung anzugehen, sind die CO2-Emissionen aus Energie und Industrie seit der Unterzeichnung des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Jahr 1992 um 60 % gestiegen. Die globalen Verpflichtungen und Maßnahmen nehmen zu, aber sie reichen noch immer nicht aus, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden.
IEA, Net Zero by 2050, Mai 2021 (5)
Netto-Null bedeutet enorme Rückgänge bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas. […] Um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, ist nichts weniger als die vollständige Transformation des globalen Energiesystems erforderlich.
IEA, Net Zero by 2050, Mai 2021 (5)
Die IEA macht sogar konkrete Vorschläge wie diese Rückgänge bzw. die Transformation des Energiesystems aussehen könnten. Aber die wichtigste Frage bleibt: Was passiert mit den bestehenden Investments in fossile Technologien? Das bringt uns zum Titel dieses Blogs, der Carbon Bubble.
Die “Carbon Bubble”, im Deutschen auch „CO2-Blase“ oder „Kohlenstoffblase“ genannt, bezeichnet die Spekulationsblase, die durch Investitionen in fossile Technologien, Anlagen oder auch Rohstoffvorkommen entstehen. Diese Investitionen befinden sich im krassen Gegensatz zum Pariser Klimaabkommen und daher müssten sie beendet werden. Das würde auch beinhalten, gewisse Rohstoffvorkommen nicht anzutasten. Jede weitere Investition in diese Technologien trägt zu dieser Blase bei.
Im Jahr 2007 ging von der Spekulationsblase in den USA mit fragwürdigen Kreditvergaben auf Häuser eine Schockwelle in Form der Finanzkrise schließlich um die ganze Welt. Bei der Carbon Bubble verhält es sich ähnlich, nur dass diese Anlagen und Technologien überall auf dem Planeten vorhanden sind (Stranded Assets) und die Auswirkungen entsprechend global sein werden.
Unternehmen selbst, Banken, Versicherungen, Investment- und Pensionsfonds tragen zu der Blase bei. Der UN Global Compact stellte 2021 fest, dass keiner der wichtigsten Aktienindizes in den G7-Länder derzeit mit den Paris Zielen kompatibel ist. 2 Grad wird nicht erreicht, von 1,5 Grad ganz zu schweigen. (6)
Dieses notwendige „Divestment“ hat noch nicht stattgefunden, da die Weltwirtschaft zwei Jahre lang mit Covid beschäftigt war und da sich noch immer gutes Geld mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlage machen lässt. Unter dem Motto „Gier frist Hirn“ ist die Diskrepanz zwischen etwaigem Wissen, vagen Ankündigungen und dem tatsächlichen Handeln sehr hoch. Die Gefahr, dass die Carbon Bubble platzt, wird daher von Jahr zu Jahr größer.
Auch in Europa waren Lobbygruppen mit finanziellen Interessen erfolgreich. Grundsätzlich hat die EU-Kommission mit dem Green Deal – also der Förderung von nachhaltigen Technologien – zur Zukunftssicherung und im Kampf gegen den Klimawandel die richtige Richtung eingeschlagen. Um festzulegen was als „nachhaltig“ gilt, sollte die EU Taxonomie Richtlinie aufgesetzt werden. Das wurde sie auch und im letzten Moment wurde der Entwurf noch mit Atomkraft und Gas als „Übergangstechnologien“ ergänzt.
Gas kann niemals nachhaltig sein und bei Atomkraft ist es aus diversen Gründen gleich. Mehr dazu hören Sie im #RestartThinking-Podcast von Ökonomie-Physiker Mario Buchinger.
Auch hier haben sich leider Lobbyisten durchgesetzt, die finanzielle Interessen über das Gemeinwohl stellen. Denn damit wird der Weg der Erneuerbaren Energien erschwert und wir verschwenden Zeit, die wir nicht haben.
Neben den Umwelteffekten verlängert sich die Abhängigkeit von Importen und dubiosen Regimen, was man am derzeitigen Konflikt mit Russland gut erkennen kann. Wir zahlen jährlich Milliarden an andere anstatt dieses Geld in der jeweiligen Region zu investieren und regional stabile Strukturen, Know How und Wertschöpfung aufzubauen.
Auch wenn mir dieses Verhalten absolut verständlich erscheint, ist den Kopf in den Sand zu stecken die falsche Option. Stattdessen geht es um Vorsorge und Eigenverantwortung, den essentiellen Punkten des Unternehmertums. Als Anleitung können folgende Fragen dienen:
Wir arbeiten gerade an diesen Fragen auch für unser eigenes Unternehmen. Denn es gilt – egal ob Unternehmen oder Privatpersonen – die Reduktion von Energie- und Ressourcenbedarf, der Bezug von erneuerbarer Energie, die Neudefinition von Mobilität und auch die Auswahl von Finanzunternehmen und -produkten hilft, um auf die Herausforderungen der Zukunft besser vorbereitet zu sein.
Bei Fragen oder Kommentare zur Carbon Bubble oder den notwendigen Veränderungen im Bereich Klimatransformation freue ich mich auf Ihre Nachricht!
Beste Grüße
Ihre Marlene Buchinger