Mercedes-Benz will die Entwicklung einer eigenen Plattform für Elektromobilität einstellen und Volkswagen hat Pläne für eine neue E-Auto Fabrik verworfen. Gleichzeitig dreht sich der Markt in Richtung E-Mobilität. Keine guten Nachrichten für die deutsche Autoindustrie, findet Dr. Mario Buchinger.
Bei der Wahl zum Europäischen Parlament haben genau die Parteien das Rennen gemacht, die die Bevölkerung belogen haben. Gleichzeitig haben jene verloren, die die Realität um uns herum anerkennen und versuchen Lösungen zu entwickeln.
Es ist paradox und zeugt nicht gerade von Intelligenz, aber anscheinend gibt es noch immer einen großen Wunsch vieler Menschen, nach Strich und Faden über den Tisch gezogen zu werden. Hauptsache es bleibt vermeintlich alles wie es ist.
Früher war alles besser? Das ist Wunschdenken.
Immer diese GesternKleber-Romantik. Aber für die Entscheider:innen in den Chefetagen deutscher Autokonzerne und viele Politiker:innen im konservativen und marktliberalen Lager scheint das anscheinend so zu sein. Es gab die Zeit, in der man mit der ineffizienten und dreckigen Verbrennertechnik Marktführer war. Doch das hat sich geändert. Die Transformation ist in vollem Gang.
Selbst wenn man in einigen europäischen Ländern den Eindruck gewinnt, dass Elektromobilität wieder vorbei sei, so täuscht das massiv. Weltweit passiert nämlich genau das Gegenteil und der Peak für Verbrennungsmotoren scheint überschritten zu sein (1).
Die Entscheidung fällt nicht in Europa
Die Entscheidung, was sich durchsetzt, wird auch nicht in Europa getroffen, sondern in Schlüsselmärkten in Asien. Und diese drehen sich gerade massiv. Allein in China hast sich der Anteil von E-Autos 2022 auf 2023 um 28% erhöht (2), Tendenz weiter steigend.
Derzeit machen den Markt primär Tesla aus den USA und BYD aus China untereinander aus, die sich bei der Spitzenposition immer wieder abwechseln (3). Weitere Elektroautohersteller aus China sind entweder schon da oder stehen in den Startlöchern. Namen wie NIO oder Xiamomi mögen in Europa noch unbekannt sein. In den Schlüsselmärkten in Asien sind sie dagegen längst angekommen.
Im LKW-Bereich schaut es nicht anders aus. Auch hier geht der Trend klar in Richtung Batterietechnik (4), da Batterien immer leichter, effizienter und günstiger werden.
Und die deutsche Autoindustrie?
Sie scheint kapituliert zu haben. Mercedes-Benz will die Entwicklung einer eigenen Plattform für Elektromobilität einstellen (5) und bis weit in die 2030er Jahre hinein Verbrenner anbieten. Volkswagen hat Pläne für eine neue E-Auto Fabrik verworfen (6) und BMW hat Elektromobilität nie wirklich ernsthaft verfolgt.
Die Gesamtlage würde es eigentlich dringend erfordern, massiv das Tempo zu erhöhen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Eigentlich würde man angesichts der Faktenlage erwarten, dass Investitionen in Forschungs- und Produktionskapazitäten drastisch hochgefahren werden. Doch genau das Gegenteil passiert.
Zwar ist man sich auch bei den Entscheider:innen in deutscher Autoindustrie darüber im Klaren, dass der Verbrenner ein baldiges Ablaufdatum hat. Dennoch sieht man keinen Grund zur Eile. Das lässt sich eigentlich nur durch eine Möglichkeit erklären: Kapitulation vor dem chinesischen und US-amerikanischen Wissensvorsprung und das Einsammeln von noch möglichst viel Renditen und Boni, solange man die tote Kuh noch melken kann.
Was danach passiert, ist nachrangig, denn wenn später Daimler, Volkswagen und BMW vollständig ruiniert wurden, weil man globale Trends und die Regeln der Physik ignoriert hat, sind diejenigen, die die Fehler heute machen, nicht mehr im Amt und haben ausgesorgt. Das klingt dramatisch – ist es auch.
Lobby trifft Politik
Diese Ignoranz der notwendigen Veränderung hat System, denn auch auf politischer Ebene gibt es Verbündete. Im Euopa-Wahlkampf haben nicht nur die für Realitätsverweigerung bekannten Kandidat:innen von rechtsradikalen Parteien für das so genannte „Verbrenner-Aus“ lobbyiert, sondern auch die eigentlich im demokratischen Spektrum angesiedelten konservativen Parteien, wie eine CDU und CSU in Deutschland oder auch eine ÖVP in Österreich.
Sie alle behaupten, dass der Verbrenner die Zukunft sei und dass man diesen dringend brauche, um Arbeitsplätze zu erhalten.
Doch damit erreichen sie genau das Gegenteil, denn Arbeitsplätze werden genau dann vernichtet, wenn man an überholten Technologien festhält.
In Deutschland hat die FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kürzlich noch Mittel für die Batterieforschung gestrichen (7) während man gleichzeitig pinke Einhörner wie Kernfusion oder E-Fuels verspricht. Zudem fordert die deutsche Regierungspartei FDP – leider mit sehr starken Lobbybeziehungen zur Fossil-Lobby – gar die ersatzlose Abschaffung sämtlicher Flottengrenzwerte (8) was einem völligen Freibrief für weitere Verschmutzung und Klimaschädigung gleichkommt. Auch das wird den Verbrenner nicht retten und zudem die Erhitzung unseres Lebensraums noch weiter beschleunigen.
Woanders ist man schon weiter
Und wer glaubt, dass die veraltete Verbrennertechnik in Entwicklungsländern eine Chance hat, irrt. Denn diese Länder merken, dass es vermeidbar ist, nicht all unsere Fehler nachzumachen. So haben erste afrikanische Staaten bereits Verbrennerverbote erlassen (9).
Auch in diesen Märkten sind chinesische Hersteller mit kleinen, bezahlbaren Elektroautos präsent. Somit haben auch da die deutschen Hersteller ein Potential kampflos an mittlerweile überlegene Wettbewerber abgegeben.
Und schon wieder: Technologieoffenheit
Sowohl Marktliberale als auch Konservative halten sich an jedem Strohhalm fest. Hauptsache, es bleibt alles wie es ist. Dazu werden Scheinbegriffe wie „Technologieoffenheit“ gepflegt, die eigentlich Innovationsverhinderung sind. Sie erweisen der ohnehin langsamen und inkonsequent agierenden Autoindustrie in Deutschland einen Bärendienst.
Nein, die Grünen sind nicht an den Problemen schuld
Ein typisches Narrativ unserer Zeit ist, dass grüne Parteien für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme verantwortlich seien und dass diese auch das Erstarken rechtsradikaler Kräfte zu verantworten hätten.
Diese Masche ist verlogen und lenkt von den eigentlichen Verursachern ab.
Diejenigen, die gegen alle Erkenntnisse der Physik und allem Wissen über die globale Marktentwicklung die Fehler der Vergangenheit erhalten wollen, sägen an europäischen Arbeitsplätzen und an unserem Wohlstand.
Es sind konservative und neoliberale Parteien, die auch rechtsextreme Erzählungen übernehmen und deren Unsinn damit weniger schmuddelig wirken lassen. Die Lügen, die sie verbreiten, fallen offenbar auf fruchtbaren Boden, denn für einige Menschen ist die Sehnsucht nach dem Gestern wichtiger als der Ausblick in eine neue, bessere Welt.
Die Natur verhandelt nicht
Der Verbrenner ist die schlechtere Technologie. In hundert Jahren wurde er nicht emissionsfrei, der Motor ist und bleibt ineffizient und stößt im Betrieb nach wie vor giftige Substanzen aus. Rational gesehen, spricht nichts dafür.
Entscheider:innen in den deutschen Automotive-Chefetagen geht es anscheinend darum, mit den alten Fehlern noch möglichst viel Profit zu machen. Bei der Fossil-Lobby ist es ähnlich. Diese Unternehmen stecken seit Jahrzehnten Milliarden in Lügenkampagnen, um ihre im wahrsten Sinne dreckigen und toxischen Geschäftsmodelle zu erhalten. Teile der Politik unterstützen sie dabei und all die Täuschungen fallen bei großen Teilen der Gesellschaft auf fruchtbaren Boden.
Doch das wird am Ende scheitern. Die Natur ist keine Verhandlungspartnerin und wer Wirtschaft und Politik entgegen den Gesetzen der Natur machen will, kann und wird damit scheitern.
Wir können es doch besser!
Herzlicher Grüße
Mario Buchinger
#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können.
Über die Kapitulation der deutschen Autoindustrie ist auch ein Podcast erschienen, der die Thematik nochmal akustisch zusammenfasst.
Quellen:
- https://earthbound.report/2024/01/24/peak-ice-the-decline-of-petrol-and-diesel-cars/
- https://www.electrive.net/2024/01/11/china-markt-waechst-2023-um-95-mio-elektroautos-und-plug-in-hybride/
- https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/elektroauto-neuzulassungen-weltweit/
- https://www.elektroauto-news.net/news/wirtschaftsweise-raten-zu-elektro-lkw
- https://www.derstandard.at/story/3000000220256/mercedes-steigt-bei-seinen-hochpreisigen-e-autos-auf-die-bremse
- https://www.diepresse.com/18470535/volkswagen-wirft-e-auto-plaene-ueber-bord
- https://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/standort-deutschland-ampel-will-bei-batterieforschung-radikal-kuerzen-dramatische-konsequenzen-/29601448.html
- https://www.fdp.de/forderung/flottengrenzwerte-ersatzlos-abschaffen
- https://efahrer.chip.de/news/von-wegen-keine-e-autos-in-afrika-aethiopien-verhaengt-verbrenner-verbot_1017607
- https://www.buchingerkuduz.com/restartthinking-podcast-folge-265-kapitulation-der-deutschen-autoindustrie/