Während in Europa einige noch immer über das „Aus vom Verbrenner-Aus“ diskutieren, machen vor allem die Wettbewerber aus China Nägel mit Köpfen. Beim PKW ist es längst klar, dass der Verbrenner seine Zeit hinter sich hat. Bei Nutzfahrzeugen jedoch auch. Ein Überblick von Transformationsexperten Dr. Mario Buchinger.
Der E-Antrieb ist gesetzt
Mitte September waren wir bei der EMOCON, der größten österreichischen Fachmesse zum Thema Elektromobilität, eingeladen. Es gab interessante Vorträge rund um das Thema Mobilität, Dienstleistungs- und Hardwareanbieter mit Ladestationen oder Speichern waren vertreten und zeigten, was bereits alles im Bereich E-Mobilität möglich ist und welche innovativen Angebote bereits im Einsatz sind.
Auch wenn es eine Emobilitätskonferenz war, wurde von Zeit zu Zeit der Wunsch nach pinken Einhörnern, wie Wasserstoff oder E-Fuels, laut. Aber die Fachleute vor Ort waren sich einig: Der E-Antrieb ist gesetzt. Die Frage ist, wie lange dauert der Sterbeprozess des Verbrenners.
Die nunmehrigen wahlpolitischen Manöver mit Autogipfeln in Deutschland und Österreich sind nicht wirklich hilfreich. Denn die Zukunft der deutschen OEMs wird nicht hier entschieden. Die Verluste von VW sind durch den Einbruch allen voran des chinesischen Marktes entstanden. In China werden mittlerweile mehr E-Autos als Verbrennerfahrzeuge verkauft. Die Kompetenz bei Diesel ist zwar technisch spannend, aber wenig zukunftsfähig und dass führt zu den Gewinneinbrüchen.
BYD, MG, Polestar und viele weitere
Marlene Buchinger nutzte die Zeit auf der EMOCON und fuhr mit den zahlreichen Fahrzeugen vor Ort Probe. Besonders positiv fielen ihr der BYD Seal (auf dem Titelbild zu sehen) und der Polestar 2 auf. Das Design ist stark an Tesla angelehnt. Connectivity und Entertainment stehen im Mittelpunkt und über die Haptik kann man auch nicht meckern. Was besonders wichtig ist, sind die inneren Werte: Das Batterie- und Lademanagement sind ausgereift. Fahrwerk und Assistenzsysteme sind alle Stand der Technik. Die Zeiten von billigem Nachbau sind längst vorbei, China mischt die mobile Welt auf.
Eine Runde mit dem E-LKW
Während Marlene mit PKWs Runden über die Teststrecke in Teesdorf drehte, war ich mit der Renault Sattelzugmaschine unterwegs. Mit bis zu 26 Tonnen Nutzlast und Reichweiten von 260-300 km sind die Fahrzeuge für den Verteilerverkehr perfekt geeignet. Renault baut die Fahrzeuge bereits in Serie. Auch Mercedes war mit dem E-Actros vor Ort. Das englische StartUp Volta will mit der Neuentwicklung, die in Österreich gebaut wird, denn Lieferverkehr revolutionieren. Auch andere Größen der LKW Branche machen sich auf den Weg in die elektrische Zukunft: MAN hat sich klar zu Batterien bekannt und investiert massiv, beispielsweise in eine eigene Batteriegroßserienfertigung (1).
Busse sind noch eine Herausforderung
Während beim LKW im Unterbau zwischen den Achsen reichlich Platz ist, wird der Bereich bei Bussen dringend benötigt. Bei Reisebussen wird dort das Gepäck der Reisenden untergebracht und da ist bereits jeder Kubikzentimeter wertvoll. Bei Linienbussen wird es noch kritischer. Diese werden, damit ein barrierefreier Ein-und Ausstieg möglich ist, längt nur noch als Niederflurfahrzeug verkauft. In dem Fall ist das Platzangebot noch eingeschränkter.
Batterien brauchen jedoch ein gewisses Volumen und das Thema Gesamtgewicht und Zuladung ist beim Bus, genauso wie beim LKW, immer ein entscheidender Faktor. Während sich beim LKW das Problem in den letzten Jahren gut gelöst hat, ist man bei Bussen zwar schon sehr weit, aber es gibt noch relevante Anforderungen, die für eine Wirtschaftlichkeit und damit Marktakzeptanz gelöst werden müssen. Diese Lösung liefert wieder mal ein chinesisches Unternehmen – nämlich CATL – in Zusammenarbeit mit einem Fahrzeughersteller aus Polen.
Solaris ist ein bekannter Player am Markt
Der Bushersteller Solaris Bus & Coach ist ein relativ junges Unternehmen aus Polen, das 1999 gegründet wurde. Es stellt Linien- und Reisebusse sowie Straßenbahnen her und ist schon seit einigen Jahren auch in deutschen Städten oft als Linienbus zu sehen. Seit 2018 gehört das Unternehmen zur spanischen CAF Gruppe (Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles). Solaris bietet eine große Bandbreite an Antrieben an. Neben dem konventionellen Diesel-Antrieb gibt es auch Hybridsysteme, Wasserstoff-Busse mit Brennstoffzellen, LNG-Antriebe und auch bereits rein elektrische Busse. Diese werden nun vom Weltmarktführer in der Batterietechnik CATL aus China gemeinsam so weiterentwickelt, dass die Effizienz- und Kostenstruktur deutlich verbessert werden kann. Damit können Elektrobusse noch besser mit der Preisstruktur herkömmlicher Antriebe mithalten. Dazu gleich noch mehr.
CATL: Innovation am laufenden Band aus China
Der chinesische Batteriehersteller CATL ist mit BYD gemeinsam Treiber der Speicher- und damit auch der E-Mobilitäts-Revolution. CATL (Contemporary Amperex Technology Co.,) hat sich bereits 2011 auf den Weg gemacht und kontinuierlich Wissen aufgebaut. Im September 2024 stellte das Unternehmen auf der IAA Transportation in Hannover spezielle Batterien für Busse vor. Für die „Long Range“ Variante gibt es eine Garantie von 15 Jahren bzw. 1,5 Millionen Kilometer. Gleichzeitig stellte CATL eine weitere Innovation für Schnellladen vor, was besonders für den Transportbereich spannend ist. Mit der „Superfast Charging Edition“ sollen 70 % in 15 Minuten aufgeladen werden können. (2)
Batterie als Teil der Fahrzeugkonstruktion
Aber zurück zu Solaris. CATL wird in der Zusammenarbeit mit Solaris die Batterien als Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) liefern. (3) Dieser Batterieaufbau ist nicht neu und wird seit einigen Jahren bereits vielfältig eingesetzt. Der Vorteil von LFP-Batterien ist, dass sie nicht brennen. Sie bestehen auch den so genannten Nagel-Test, bei dem ein Nagel in die Batteriezelle eingeschlagen wird. Eine herkömmliche Li-Ionen Batterie könnte durch die mechanische Einwirkung zu brennen beginnen. Bei einer LFP-Batterie passiert das nicht.
Das Besondere am Konzept von Solaris und CATL ist der Cell-to-Pack-Batteriepack, kurz CTP-Batteriepack. Dabei sind die Batteriezellen direkt in der Batteriehülle integriert. Dadurch wird eine 10-15 % höhere Massenenergiedichte pro Volumeneinheit und eine Effizienz der Volumenausnutzung um 15-20 % erreicht. Das Batteriegehäuse kann dann direkt in das Fahrzeugdesign integriert werden. Damit wird die Batterie integraler Bestandteil der Fahrzeugzelle. (4)
Das Ersetzen und Recycling der Batterie wird dadurch zwar erschwert, weil sich die Batterie nicht mehr so einfach ausbauen lässt. Jedoch erscheint dieses Risiko kalkulierbar, weil nach vielen Jahren Erfahrung bekannt ist, dass Batterien in den allermeisten Fällen länger halten als das Fahrzeug selbst. Zudem liegt die maximale Degeneration der Batterien selbst nach vielen Jahren und hohen Laufleistungen mit vielen Ladezyklen in einem maximal kleinen zweistelligen Prozentbereich.
Produktion in Europa
Die neue Bus-Generation soll in Europa produziert werden, was damit auch etwaige Importzölle aus China wirkungslos macht. Gleichzeitig wird in Europa in einer geradezu verstörenden Art und Weise noch immer über eine Verlängerung des Festhaltens an der Verbrennertechnik diskutiert. Einige Wirtschaftsleute und Politiker:inner glauben entgegen aller eindeutigen Tatsachen noch immer, dass man durch das Konservieren und Verlängern der Fehler, die die deutsche Autoindustrie in die Misere geführt haben, das Problem lösen können. Währenddessen ist der Transformationsprozess in anderen Märkten immer weiter und je länger man in Europa an den alten Pfründen klebt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Abstand uneinholbar ist. Mehr dazu lesen Sie auch in dem #RestartThinking Blogbeitrag, wie die deutsche Automobilindustrie kapituliert.
Nachdem OEMs aus China die PKW-Branche aufgemischt haben, machen sie nun im Nutzfahrzeugbereich weiter und legen dabei noch ein paar Schritte vor. Es wird endlich Zeit, dass die europäische, und hier insbesondere die deutsche, Wirtschaft anfängt, ihre Hausaufgaben zu machen.
Herzliche Grüße
Mario Buchinger
#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können.
Dr. Mario Buchinger
Transformationsexperte und (Ökonomie-)Physiker
Wir von Buchinger|Kuduz sind spezialisiert auf Strategie-, Prozess- und Klimatransformation. Mit mehr als 20 Jahren internationaler Erfahrung im Bereich Kaizen und Lean begleite ich Organisationen bei der Verbesserung und Klimatransformation. Wenn Sie konkrete Herausforderungen und Fragen haben oder auf der Suche nach inspirierenden Keynotes oder konkreter Unterstützung sind, freue ich mich auf Ihre Nachricht.
Linktipp:
Über die Kapitulation der deutschen Autoindustrie ist auch ein Podcast erschienen, der die Thematik nochmal akustisch zusammenfasst.
Quellen:
Bildquelle Titelbild: BYD – https://cdn.prod.website-files.com/66347b470d661c296385362e/665490111893fc5ddea0830e_Lifestyle%2005.webp