Es ist Wahlkampf in Deutschland und auch in Österreich. In Österreich ist man ja noch in Übung, schließlich war dort das ganze vergangene Jahr Wahlgezanke rund um den Staatspräsidenten. Dieses Jahr geht es um den Nationalrat und wieder muss man bangen, wie stark der Anteil derer sein wird, die mit rechtsextremen Ideologien und undemokratischen Werten auf Wahlfang gehen. Aber das ist ein anderes Thema.
In Deutschland gesellt sich neben den üblichen Parolen gerade ein weiteres Thema dazu:
Der Wahlkampf mit dem Auto
Gerade die Vertreter der konservativen Parteien werden derzeit nicht müde, das Festhalten am Verbrenner allgemein und insbesondere beim Diesel zu propagieren. Auch wenn Angela Merkel bereits signalisiert hat, dass ein Ende des Verbrenners zwar vorstellbar wäre, so blieb sie mit dem Datum – wenig überraschend – im Unklaren. Dies suggeriert eher ein wahltaktisches Manöver als echte Überzeugung.
CSU-Chef Horst Seehofer macht hingegen eine klare Position deutlich. Er stellt das Festhalten am Verbrennungsmotor sogar als Bedingung für etwaige Koalitionen. FDP-Chef Lindner, der aller Wahrscheinlichkeit nach als One-Man-Show mit seiner FDP wieder in den Deutschen Bundestag einziehen wird, betrachtet den Verbrennungsantrieb sogar als „Kulturgut“, den man vor den Grünen retten müsse. Herr Lindner regt sogar an, die Grenzwerte für Luftqualität in den Städten zu hinterfragen. So ist es auch kein Zufall, dass besonders CDU/CSU und FDP mit Abstand am meisten Parteispenden aus der Wirtschaft auch aus Reihen der Automobilindustrie kassieren – Dieselskandal und Kartellabsprachen zum Trotz.
Und die rechtsextreme AfD, die menschenverachtende Ideologien vertritt und den offensichtlich anthropogenen Klimawandel leugnet, verlangt sogar eine „Diesel-Garantie“ bis 2050. Lediglich die Grünen positionieren sich klar und deutlich gegen das Festhalten an dem Verbrennungsantrieb und fordern einen Stopp von Verbrenner-Neuzulassungen ab 2030, was ihnen aus gewissen Kreisen viel Spott und Hohn einbringt.
In diesem Artikel soll es nicht darum gehen, welche Partei man mag und welche Parteien eines demokratischen Parlaments unwürdig sind. Es geht um eine sachliche Betrachtung einer Branche, von der insbesondere in Deutschland viele Tausende Arbeitsplätze abhängen, nämlich der Automobilindustrie.
Und man muss klar konstatieren, dass in diesem Punkt die Grünen, unabhängig davon, ob man sie mag oder nicht, die einzig wegweisende Position vertreten. Gewisse Politiker, nämlich jene, die an der veralteten Technik des Verbrenners festhalten, überschätzen massiv ihre Position und die Position der deutschen Automobilindustrie im weltweiten Kontext.
Das Ende des Verbrenners wird nicht in Deutschland besiegelt
Man muss aktuell klarstellen, dass die Zeiten, als man Elektroautos nur als Spielzeug für Öko-Spinner abgestempelt hat, sicher vorbei sind. Das US-amerikanische Unternehmen Tesla hat hier sicher einen entscheidenden Beitrag geleistet, weil sie gezeigt haben, dass auch Elektroautos attraktiv und sexy sein können und im Alltag als auch auf Langstrecken sehr gut funktionieren. Ohne Tesla wären die deutschen Automobilhersteller im Kontext der Elektromobilität sicher noch lethargischer. Aber Tesla ist nicht die einzige Bedrohung für die noch immer in der Vergangenheit schwelgende Deutsche Autolobby und ihre Fürsprecher aus der Politik.
In anderen Regionen der Welt, die weit größer sind als der Deutsche und auch der Europäische Markt, hat man sich schon viel mehr und intensiver mit dem Wandel hin zur Elektromobilität auseinandergesetzt. Ab 2018 soll es in China eine Quote für Elektroautos geben, die einerseits getrieben ist durch die Notwendigkeit, im Bezug auf die Luftverschmutzung etwas zu unternehmen, wenn auch die Elektromobilität allein das Problem zunächst verlagert. Andererseits begünstigt diese Quote die Chinesische Wirtschaft, denn bei Elektroautos sind die Chinesen schon länger deutlich weiter als die Deutschen. In China gibt es neben den bekannten Größen wie BYD und Future Mobility noch eine weitere Vielzahl an Elektromobilität-Startups, die alle sehr stark in die asiatischen Märkte dringen.
BYD ist in Ostasien mittlerweile Marktführer und während vor einigen Jahren in chinesischen Großstädten fast nurModelle von Volkswagen in den Taxiflotten unterwegs waren, so wird dieser Bereich mittlerweile von BYD dominiert. Dazu kommt, dass BYD neben PKW auch kleinere Busse und LKW anbietet. Volvo, seit 2009 im Besitz des Chinesischen Automobil- und Motoradherstellers Geely, hat angekündigt, ab 2019 keine reinen Verbrenner-Fahrzeuge mehr anzubieten.
Während in der Vergangenheit China lediglich der Zusammenschrauber für die deutschen Nobelkarossen war, so ist China mittlerweile Wegbereiter auf einer globalen Ebene geworden. Von einem ehemaligen chinesischen Kollegen habe ich vor etwa 7 Jahren mal folgende Aussage in Bezug auf Elektromobilität vernommen:
„Die Deutschen können es nicht, wir können es auch noch nicht. Aber wir lernen es schneller“.
Er sollte damit Recht behalten.
Es geht nicht nur um China
Neben China ist Indien zwar bisher nur der zweitgrößte Markt in Ostasien, aber derjenige, der die meisten Zuwächse zu verzeichnen hat. Ein Land, das mit gut 1,3 Milliarden Einwohnern das zweitbevökerungsreichste Land der Erde ist und flächenmäßig einen Subkontinent darstellt, hat festgelegt, dass es ab 2030 zu 100% elektrische Mobilität umgesetzt haben möchte.
Indiens größtes und ein auch weltweit bedeutendes Automobilunternehmen Tata, zu dem auch Luxusmarken wie Jaguar und Land Rover gehören, setzt proaktiv auf Elektromobilität und wird in den nächsten ein bis zwei Jahren ein kleines Elektrofahrzeug zu einem umgerechnet vierstelligen Eurobetrag anbieten.
Und dann sind da noch die USA, die trotz eines ignoranten und selbstherrlichen Präsidenten, dem Klimaschutz mehr als nur egal ist, einige Bundesstaaten mit sehr strengen Umweltauflagen haben. Im Heimatland von Tesla ist Elektromobilität längst nichts Exotisches mehr und in vielen Bevölkerungskreisen, in denen vor einigen Jahren spritdurstige Verbrenner noch en vogue waren, muss man sich heute entschuldigen, wenn man nicht wenigstens mit einem Hybrid vorfährt.
Und in Europa? Der Ausstieg aus der Verbrennertechnik ist für Norwegen, die Niederlande, Frankreich und Großbritannien eine beschlossene Sache und in der Schweiz hat Tesla in den vergangen 18 Monaten im Luxussegment mit Abstand am meisten Einheiten verkauft und das ganz ohne irgendwelche Förderungen.
Unser heimischer Markt ist unbedeutend
Fassen wir nochmal zusammen: In den größten und den am größten wachsenden Automobilmärkten ist die Elektromobilität sehr weit vorangeschritten und ein Ausstieg vom Verbrenner oft schon eine beschlossene Sache. Das bedeutet, dass die Märkte, die gut ein Drittel bis knapp die Hälfte der Weltbevölkerung vertreten, klar und deutlich von dieser Technik abrücken.
Die verbleibenden Bevölkerungen stammen aus Ländern, die nach wie vor eher eine geringe Ausprägung in Bezug auf Mobilität haben. Die Schwellenländer, die zu den nächsten großen Wachstumsmärkten zählen, beispielsweise afrikanische Staaten, wie Südafrika oder Namibia, werden von vornherein auf neuere und im Fall von Antrieben deutlich einfachere Technik setzen.
Einige und vor allem marktdominierende Regionen setzen bereits heute klar auf Elektromobilität und in einigen weiteren Ländern gibt es eindeutige Überlegungen, Verbrennungsmotoren ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zuzulassen. Damit fallen die großen Exportmärkte mit der Zeit für die Deutsche Autoindustrie weg, wenn sie weiterhin an der veralteten Verbrennertechnik festhalten. Und wie ist es mit dem heimischen Markt?
In Summe sind unsere heimischen Marktanteile in Deutschland, Österreich und ein paar anderen europäischen Ländern relativ bedeutungslos.
Zu meinen, dass man mit politischen Entscheidungen in irgendeiner Weise den bereits laufenden Paradigmenwandel aufhalten könne, zeugt von einem enormen Maß an Ignoranz und auch Arroganz. Die Aussagen, die manche Politiker im aktuellen Wahlkampf formulieren, mögen den pöbelnden Stammtisch und die Autolobby im Ist-Zustand zufrieden stellen, richten aber enormen Schaden an, und zwar für unsere eigene Wirtschaft und damit unsere eigene Gesellschaft.
Die deutsche Autolobby braucht einen Tritt vors Schienbein
Man muss davon ausgehen, dass nur durch einen entsprechenden Tritt in die richtige Richtung die deutsche Autolobby sich bewegen wird. Der Ansatz der Grünen, sie durch entsprechende Auflagen dazu zu zwingen, dass sie bis 2030 funktionierende und ernst gemeinte Alternativen haben müssen, ist ein probater und richtiger Weg, diese für Deutschland so wichtige Schlüsselindustrie vor ihrer eigenen Arroganz und Ignoranz zu schützen.
Aus dem Lager der Verbrenner-Befürworter hört man immer wieder, dass Verbote der falsche Weg seien und dass der Markt das von allein entscheiden müsse. Dass dies nicht stimmt, haben wir in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gesehen. Ohne richtige und teilweise mutige Auflagen der Politik würden wir noch heute ohne Sitzgurt und ohne Kopfstütze durch die Gegend fahren. Als der geregelte Katalysator zur Pflicht wurde, waren die Klagen und die Drohungen über die Verluste von Arbeitsplätzen seitens der deutschen Autoindustrie unüberhörbar. Passiert ist aber nichts.
Auch das generelle Rauchverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln und viele andere vermeintliche Einschränkungen werden heute als Selbstverständlichkeit gesehen. Retrospektiv betrachtet haben sich diese, von Manchen zunächst als Einschränkung wahrgenommenen, Maßnahmen als überaus nützlich erwiesen. Auch wenn man die Grünen nicht mag, so ist der Vorwurf einer „Verbotspartei“ zumindest hinsichtlich deren Meinung zum Auto völlig unzutreffend. Dieser Ansatz ist von den bisher geäußerten Positionen der einzige, der eine positive Wirkung erwarten ließe, auch wenn dieser zunächst unpopulär klingt.
Die Deutsche Autoindustrie muss man vor sich selbst schützen, damit es ihnen nicht geht wie einst Nokia, Kodak oder Agfa.
Die politischen Instanzen haben unter anderem diese Verantwortung wahrzunehmen, auch wenn es unbequem ist – unabhängig von der Frage, ob gerade Wahlkampf ist oder nicht.
Gewisse Veränderungen passieren – egal ob es einem gefällt oder nicht. Die Frage ist nur, ob man diese Veränderungen proaktiv im eigenen Sinne konstruktiv mittgestaltet oder nicht. Tut man dies nicht und beharrt wie ein trotziges Kind auf den Erhalt des Status Quo, dann wird man verändert. Und dies ist dann nicht proaktiv, sondern passiv und immer zum eigenen Nachteil.
Beste Grüße,
Ihr Mario Buchinger
Weiterführende Links:
- Merkel und der Ausstieg aus dem Verbrenner-Zeitalter (STERN)
- Horst Seehofer (CSU) formuliert Festhalten am Verbrenner als Koalitionsbedingung (Die ZEIT)
- Der Bundestagswahlkampf und die Großspenden (SZ)
- Christian Lindner (FDP) und der Verbrennungsmotor als Kulturgut (Die ZEIT)
- AfD-Spitzenkandidatin fordert Diesel-Garantie (WELT)
- Elektromobilität in China (FAZ)
- Die Zukunft der Elektromobilität und der Markt in China (Wirtschaftswoche)
- Indien ab 2030 zu 100% mit elektrischer Mobilität (FutureZone)