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Verbrenner-Aus ab 2035? Ideologie versus Realität

RestartThinking-Blog Verbrenner-Aus ab 2035? Ideologie versus Realität

Wie die Fossil-Lobby auch lokal gezielt Desinformation verbreitet – ein Bericht aus Tirol über eine Veranstaltung zum angeblichen „Verbrenner-Aus“.

Auch wenn es aktuell nicht danach aussieht, aber die Geschäftsmodelle der fossilen Branchen sterben. Das ist zwar gut so, aber es müsste schneller gehen, denn die menschgemachte Erderhitzung lässt uns keine Zeit für weiteres Verzögern. Und um diesen Sterbeprozess möglichst in die Länge zu ziehen und um damit noch möglichst viel Profite zulasten der Gesellschaft und künftiger Generationen zu machen, schrecken die Akteur:innen nicht davor zurück, die Öffentlichkeit zu täuschen und zu belügen. So geschehen auch bei einer Veranstaltung, bei der wir kürzlich in Tirol beiwohnten und die von der Tiroler Wirtschaftskammer ausgerichtet wurde, bei der auch unser Unternehmen Zwangsmitglied ist. Ein Bericht, wie eine toxische Branche die Öffentlichkeit täuscht – mit verehrenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.


Titel und Protagonisten

Der Titel macht bereits einen problematischen Eindruck: „Verbrenner-Aus 2035 – Realität vs. Ideologie“. Und wie man erahnen kann, betrachten sich die Anhänger:innen der Verbrennungstechnik als in der Realität befindend und wer ihnen widerspricht muss ideologisch veranlagt sein. Wir werden sehen, dass eher das Gegenteil zutrifft. Aber der Reihe nach.

Schauen wir uns zunächst die Protagonisten der Veranstaltung an:

  • Alois Wach
    Geschäftsführer der emobil GmbH & Co. KG. Ein Unternehmen, das in Tirol Ladeinfrastruktur für Elektromobilität betreibt. Herr Wach hat eine Vergangenheit in der fossilen Branche und hat viele Jahre den Aufbau und die Verwaltung des Tankstellennetzes von Avanti (ein Tochterunternehmen der OMV) verantwortet. Das Unternehmen, dem er heute vorsteht, gehört unter anderem Gutmann, einem Heizölhändler mit Sitz in Innsbruck.
  • Georg Brasseur
    Ein emeritierter Professor für Messtechnik der Universität Graz, der in seinem Leben primär in der Verbrennertechnik gearbeitet hat. Schon seine Promotion befasste sich mit elektronischer Dieselregelung und er baute eine Arbeitsgruppe auf, die sich mit Automobilelektronik beschäftigt. Eine weitere Station war die Leitung des Christian Doppler-Laboratoriums für Kraftfahrzeugmesstechnik. Er ist außerdem Mitglied des Lobbyverbands E-Fuels Alliance.
  • Jürgen Roth
    Inhaber des gleichnamigen Diesel- und Heizölhandels, der auch eine Tankstellenkette betreibt. Er ist außerdem Vorstandsvorsitzender des österreichischen Ablegers des Lobbyverbandes E-Fuels Alliance.
  • Außerdem war noch Barbara Thaler angekündigt. Sie ist bisher EU-Abgeordnete der rechts-konservativen ÖVP und wechselt derzeit in die Nachfolge des zurückgetretenen Vorsitzenden der Tiroler Wirtschaftskammer Christoph Walser. Frau Thaler war bei der Veranstaltung nicht präsent.

Beim Betrachten der Biografien der teilnehmenden Personen wird deutlich, dass hier die Verbrenner- und Fossil-Lobby gerne unter sich ist. Eine sachdienliche Erörterung mit anschließender Publikumsdiskussion wurde angekündigt. Die Besetzung des Panels als auch der Titel erweckt keinen sachlichen und ausgewogenen Eindruck. Doch wir wollten uns darauf einlassen und schauen, ob wir positiv überrascht werden. Spoiler: Wir wurden leider nicht überrascht.


RestartThinking-Blog Verbrenner-Aus ab 2035? Ideologie versus Realität
Eine Tiroler Veranstaltung zum Thema „Verbrenner-Aus ab 2035? Ideologie versus Realität“

Die Eröffnung – Eigenlob und Eigenbild

In der Eröffnung der Veranstaltung wurde zunächst angepriesen, dass so viele Leute gekommen waren. Ich kann nicht sagen, mit wie viel Teilnehmenden die Veranstalter wirklich gerechnet hatten, aber man konnte feststellen, dass der Raum gut gefüllt war. Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass dieses Thema sehr wichtig, auch sehr emotional sei und viele Menschen ansprechen würde. Dieser Eindruck ist vermutlich richtig. 

In der Folge wurde mehrfach darauf abgehoben, wie wichtig bei so emotionalen Themen Fakten und solide Informationen seien. Und ich habe bei der zehnten Erwähnung des Wortes „Fakten“ aufgehört zu zählen, wie oft es noch vorkommen wird. Die Tatsache, dass jemand immer wieder betonen muss, dass es um Fakten ginge, war befremdlich. 

Dieser Eröffnungsteil der Veranstaltung erinnerte mehr an eingeschworene Glaubensgemeinschaften als an einen Versuch einer seriösen Informationsvermittlung. Nach viel Eigenlob, dem obligatorischen Hinweis auf die so genannte „Technologieoffenheit“ und erstem Fakten-Bingo ging es dann los mit dem ersten Redebeitrag.


Alois Wach – Elektromobilität darf es auch geben

Auch die Fossil- und Verbrenner-Lobby wird, bis auf ein paar Ausnahmen, nicht mehr wagen, Elektroautos in Frage zu stellen. Während sie das vor nicht allzu langer Zeit noch versucht hat, ist auch in diesen Kreisen mittlerweile angekommen, dass Elektroautos nicht verschwinden werden. Fun fact, Herr Brasseur hat dies noch 2021 behauptet (1). Und dass es die E-Mobilität auch geben darf, dazu diente der erste Beitrag von Herrn Wach. Für Leute, die mit Elektromobilität bewandert sind, war in diesem Vortrag nichts Neues dabei.

Der Redebeitrag von Herrn Wach erwirkte den Eindruck einer Ausgewogenheit der Veranstaltung. Die Botschaft dahinter: „Seht her, die Elektromobilität kommt auch vor“. Ja, das tut sie, aber bitte nicht so viel davon. Herr Wach ließ nämlich auch nicht die Gelegenheit aus darauf hinzuweisen, wie gering der Anteil von Elektroautos bei den Neuzulassungen in Österreich ist. Er folgerte daraus, dass sich diese Technologie trotz großer Subventionen noch immer schwertut und daher nicht so gut sei, wie man glaubt. 

Man muss das aber etwas einordnen. Gerade in Österreich und erst recht im autofixierten Nachbarland Deutschland haben diverse Lobbyverbände seit Jahren viel Mühe und Aufwand investiert, Menschen zu erzählen, dass Elektroautos nicht alltagstauglich und viel zu teuer seien. Das stimmt zwar schon lange nicht mehr, aber wenn man falsche Narrative nur lang genug verbreitet, sickern diese tief ins Bewusstsein einer Gesellschaft. Und diese Narrative wurden nicht nur von einschlägigen Lobbyverbänden wie z.B. dem VDA verbreitet, sondern auch durch Institutionen wie dem ADAC oder dem österreichischen Pendant ÖAMTC. Diese Institutionen erreichen viele Konsument:innen und diese genießen bei denen auch ein großes Vertrauen. Damit ist die Feststellung von Herrn Wach zwar richtig, aber er sagt nichts über die Ursachen für den Zustand. 

Außerdem sagt er auch nicht, dass das international ganz anders aussieht. Im Schlüsselmarkt China wurden in den ersten neun Monaten 2023 4,2 Millionen BEVs neu zugelassen, 25 Prozent mehr als gegenüber dem Vorjahreszeitraum und es dominieren einheimische Hersteller (2). Auch Länder im Afrika wechseln zunehmend auf E-Mobilität und sind damit immer weniger auf die ausrangierten Verbrenner aus Europa angewiesen (3), was bei Verbrenner-Fans immer wieder als Scheinargument für E-Fuels verwendet wird. 

Fazit: Die Inhalte des Beitrags von Herrn Wach waren weitestgehend richtig. Er ordnet seine Schlussfolgerungen jedoch nicht korrekt ein und bezieht diese ausschließlich auf den sehr kleinen und international bedeutungslosen Markt in Österreich und Deutschland.


Georg Brasseur – Die Sache mit dem Kohlenstoff

Der Beitrag von Herrn Brasseur war der Kern der Veranstaltung und wurde für alle, die sich mit Themen rund um Klimakrise, ihre Ursachen sowie der Energiewende auskennen, zur Nagelprobe. Die schiere Menge an „Fakten“ – also aus dem Kontext gerissene und/oder zugunsten von fossilen Energieträgern interpretierte Aussagen – ließ sich nur schwer ertragen, wenn man mit den Themen bewandert ist. Man kam mit dem Mitschreiben all der üblichen und schon oft gehörten Falschaussagen kaum mit. Gerade hatte man einen Punkt notiert, hat er währenddessen zwei weitere Aussagen rausgehauen, so dass sein Beitrag das gesamte Repertoire der oft propagierten Desinformationen der Fossil-Lobby beinhaltete.

Ein Auszug der wesentlichen Fehler seiner Ausführungen:

  • Er widerspricht dem IPCC Bericht und der gesamten Klimaforschung im Laufe seiner Ausführung, obwohl er den IPCC zum Beginn sogar als relevante Quelle nennt. Herr Brasseur behauptete, man müsse nicht alle Emissionen reduzieren und man würde noch einige Jahrzehnte Gas und Öl nutzen. Das ist eine unter Relativierern und Fossil-Fans oft geteilte Behauptung, die jedoch dem allgemein anerkennten Stand der Forschung eklatant widerspricht. Der IPCC sagt klar, wir müssen bis 2050 auf Netto-Null Emissionen und da bleibt für fossile Energieträger kein Platz mehr (4). 
  • Aber es kam noch dicker. CO2-Konzentrationen, die oberhalb des präindustriellen Niveaus (300 ppm CO2 in der Atmosphäre) liegen, befindet sich außerhalb des natürlichen Gleichgewichts. Das bedeutet, dass mehr emittiert wird als die Natur auf reguläre Weise wieder binden kann. Da wir uns derzeit bei 421 ppm befinden, müssen wir die Menge an CO2 aus der Atmosphäre umgehend reduzieren um die weitere Erhitzung unseres Lebensraums zu verhindern. Aber diesen Aspekt ignorierte Herr Brasseur mehrfach. Er sprach lieber von „Defossilisierung“ als von „Dekarbonisierung“, weil sonst die Rechtfertigung von E-Fuels nicht aufgeht. Diese Treibstoffe emittieren bei der Verbrennung das zuvor mit viel Energieaufwand entzogene CO2 wieder in die Atmosphäre. Damit ist eine Reduktion der CO2-Konzentration, also die notwendige Dekarbonisierung, nicht möglich. Das Problem löst er scheinbar, indem er die Menge an CO2, die heute bereits in der Atmosphäre ist, ignoriert und stattdessen von „Defossilisierung“ redet.
  • Er operierte bei fossilen Energien mit wohlwollenden Zahlen, während er regenerative Energiequellen systemisch schlechter darstellte: Es fiel mehrere Male die Aussage, dass fossile Energieträger sehr günstig seien und eine hohe Energiedichte hätten. Der erste Punkt ist komplett falsch, der andere ist zwar richtig, nützt aber nichts. Fossile Energieträger sind die teuerste Energieform, die wir haben (etwa gleichauf mit Kernenergie). Fossile Energieträger wirken nur vordergründig günstig, wenn man die Folgen der Emissionen ignoriert, zu denen auch Naturkatastrophen, Ernteausfälle und gesundheitliche Schäden gehören. Forschende der Forschungseinrichtungen der Cambridge University, dem University College London und dem Imperial College London haben berechnet, dass die tatsächlichen Kosten von Treibhausgasemissionen bei 3000 US$ pro Tonne liegen (5). Wenn man die ganzen externalisierten Kosten ignoriert, die den wesentlichen Teil ausmachen, wirken fossile Energieträger fälschlicher Weise sehr günstig.
  • Bei der Energiedichte wird es etwas komplizierter. Herr Brasseur betonte zum Beispiel, dass die Energiemenge, die man beim Tanken von 60 Litern Diesel bekommt, bei 600 kWh läge. Der Wert ist erstmal korrekt und er klingt auch damit sehr verlockend. Gerade wenn man bedenkt, dass eine heute handelsübliche Batterie 300 Wh pro kg speichern kann (Tendenz steigend). Was er aber nicht sagte, ist Tatsache, dass von den 600 kWh im Verbrennungsmotor nur etwa 120 kWh für Bewegung übrigbleiben. Der Rest verpufft in nutzlose Wärme. Ein batterieelektrisches Fahrzeug hingegen kann den Großteil der Energie in Bewegung umsetzen. Es ist damit etwa 5x effizienter als jeder Verbrennungsantrieb. Das wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern, denn keine Technologie der Welt verändert die Regeln der Physik. Während Herr Brasseur also Verbrennungsprozesse und fossile Energieträger schön dastehen ließ, machte er bei regenerativen Konzepten das Gegenteil. So nahm er für ein durchschnittliches Elektroauto einen Durchschnittsverbrauch von 250 Wh/km an. Dieser Wert kann aber nur erreicht werden, wenn man ein sehr schweres und großes Elektroauto nutzt und dabei auch noch fährt wie als gäbe es kein Morgen. Normale Energiebedarfe von Elektroautos liegen bei 150 bis 180Wh/km.
  • Eine weitere Täuschung war die Relation zwischen installierter Leistung und nutzbarer Leistung von Energieerzeugern. Diese bei Gegner:innen der Energiewende sehr beliebte Darstellung lässt Solar und Wind im Vergleich zu Kohle- und Kernenergie schlecht aussehen. Wind und Sonne sind nicht immer vorhanden sind und deswegen ist die installierte Leistung im Vergleich zur genutzten Leistung relativ klein. Bei Kohle- und Kernenergie sieht das auf den ersten Blick besser aus. Ein Atommeiler, der in Betrieb ist, kann wetterunabhängig die installierte Leistung über lange Zeiträume zur Verfügung stellen. Das wirkt auf Leien erstmal überzeugend, obwohl es absolut falsch ist. Was dabei nämlich verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass bei Kern- und Kohle Energie ständig Brennmaterial nachgeliefert werden muss. Diese Vorprozesse sind sehr energieintensiv und müssten bei der Bilanz gegengerechnet werden. Tut man das, schauen Kern- und Kohleenergie im Vergleich zu Wind und Sonne plötzlich sehr schlecht aus. Da aber diese wesentliche Informationen weggelassen wurden, kommt bei Laien an, dass erneuerbare Energien so ziemlich das ineffizienteste sind, was es gibt.

Flooding the zone with shit

Das ist nur ein Auszug einer Vielzahl von ähnlichen Vorgehensweisen im Beitrag von Herrn Brasseur. Die Aussagen waren so ausgelegt zu zeigen, dass erneuerbare Energien hierzulande keine Option seien, weil sich Europa nie autark mit Energie versorgen könne. Doch das ist im Kern falsch und es wurde bereits mehrfach nachgewiesen (6). Auch die Internationale Energieagentur (IEA) stellte im letzten World Energy Outlook 2023 fest, dass alle Technologien für die Energiewende verfügbar seien. Es gibt keinen Grund mehr, an fossilen Energiequellen und dem Verbrenner festzuhalten (7). Dass Herr Brasseur das nicht weiß, erscheint unwahrscheinlich. 

In den Medienwissenschaften ist der oben genannte Begriff „Flooding the zone with shit“ mittlerweile gängig. Dieser wurde ursprünglich vom Berater des Ex-US-Präsident Donald Trump Steve Bannon geprägt. Was bedeutet er? Überflute die Menschen mit allem möglichen Unsinn und Aussagen, die in der Wahrnehmung von nicht informierten Menschen dennoch eventuell wahr sein könnten. Das führt zu einer Verschiebung der öffentlichen Meinung (8). Damit können noch so schädliche Technologien, wie beispielsweise das Verbrennen fossiler Energie, länger bestehen bleiben.


Pinke Einhörner: E-Fuels

Damit war der Abend noch nicht zu Ende. Ohne die oben genannten Kunstgriffe ging es nicht um die ineffizienten Verwendung im längst technisch überholten Verbrennungsprozess gut aussehen zu lassen und damit E-Fuels zu propagieren. Verwunderlich wurde es, als Herr Brasseur dem bei E-Fuels-Fans typischen Widerspruch verfiel, dass einerseits zu wenig regenerative Energie beklagt wird, man aber dann trotzdem eine Antriebsform favorisiert, die mindestens 5x mehr Energie braucht als ein batterieelektrischer Antrieb.

Aber auch dafür glaubt Herr Brasseur eine Lösung zu haben: Weil E-Fuels elektrische Energie brauchen und Europa diese nicht in ausreichender Menge erzeugen könne, müsse man einfach die synthetische Flüssigkeit in Ländern mit mehr solarer Exposition und viel Windenergie herstellen, mit CO2 aus neuen Pipelines versetzen und dann nach Europa importieren. Und das geht natürlich nur mit E-Fuels, denn diese kann man transportieren, elektrischen Strom oder Wasserstoff dagegen nicht. Das klingt in der Welt der pinken Einhörner sehr schön, aber die Sache hat gleich mehrere Haken.

  • E-Fuels kommen nicht von allein nach Europa. Tanker müssten dann, damit die Treibhausbilanz nicht komplett in die Binsen geht, mit eben diesen E-Fuels betrieben werden. Aber dann ist der Tanker recht leer, wenn der in Europa ankommt und dann bleibt nichts mehr für die Fans der veralteten Verbrennungstechnik übrig.
  • Die Alternative wären lange Pipelines. Doch das ist sehr aufwändig. Einerseits wären die Kosten enorm und andererseits ist auch der Aufwand für Abkommen und Verträge, um eine Pipeline durch mehrere Länder und das Mittelmeer nach Mitteleuropa zu bringen, riesig. Und dass dabei nur verlässliche Staaten involviert wären, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Hier stellt sich außerdem die Frage, warum das in der Welt von Herrn Brasseur bei Pipelines gehen solle aber nicht für Elektroleitungen.
  • Wären die E-Fuels erstmal in Europa, was eben schon schwierig genug ist, müsste diese durch weitere Transportmittel in Form von LKW oder zusätzlichen Pipelines verteilt werden. Auch diese Netze gibt es nicht und LKW brauchen wieder eine gewisse Energiemenge um bewegt werden. Damit wird erneut Energie vergeudet und sollten die LKW mit Diesel fahren, ist die Klimabilanz erneut im Eimer.
  • Die sonnenreichste Region in Afrika wäre die Sahara-Region. Von der Sonnenexposition her ist das logisch. Aber um E-Fuels herzustellen, braucht man Wasserstoff und dafür braucht es Wasser. Das ist in einer Wüste aber eher Mangelware. Auch sonst ist es am afrikanischen Kontinent nicht gut um die Wasserversorgung bestellt. In Küstennähe müssen vorher mit hohem elektrischem Aufwand Entsalzungsanlagen betrieben werden. Aber das schien Herrn Brasseur wenig zu interessieren.

Alles in allem klingen diese Argumente in der Fan-Community für E-Fuels super. Aber realistisch ist es eben nicht. Es würde, falls es überhaupt gelänge, einige Jahrzehnte dauern, bis die ganze Infrastruktur steht. Wenn man wie Herr Brasseur auf der einen Seite fehlende erneuerbare Energiekapazitäten und die Probleme beim Netzausbau beklagt, dann aber von Pipelines für CO2 und E-Fuels und riesigen Erzeugungsanlagen in Afrika in zehn bis zwanzig Jahren redet, wirkt das skurril. In der Zeit kann man die bisher fehlende Infrastruktur für die Energiewende und Elektrifizierung der Antriebe in Mitteleuropa mehrfach ausbauen und es kostet weit weniger. Außerdem hat man keine Abhängigkeit von anderen Staaten, die nicht alle stabil und verlässlich sind. Und wie es uns geht, wenn wir bei der Energieversorgung von Staaten abhängen, die von dubiosen Machthabern geführt werden, sollte uns spätestens nach der Invasion Russlands in die Ukraine klar sein.

RestartThinking-Blog Verbrenner-Aus - die fossile Lobby ignoriert die notwendige Veränderung
Falsch interpretierte Fakten, Framing oder das Weglassen von unbequemen Tatsachen – die Verbrenner-Lobby ignoriert weiterhin die notwendige Veränderung. Folien von Prof. Brasseur auf der WKO-Veranstaltung.

Jürgen Roth – Der Versuch, ein veraltetes Geschäftsmodell zu erhalten

Herr Roth steht als Vorsitzender des österreichischen Ablegers eines Lobbyverbands für eine ganze Branche des Treibstoff- und Heizölhandels, die sich bedroht fühlt. In der „E-Fuels Allience“ sind unter anderem sämtliche fossilen Energieerzeuger und Tankstellenbetreiber organisiert, um die Verlängerung ihrer toxischen Geschäftsmodelle zu Lasten von uns, unseren Kindern und Enkeln zu betreiben. Und in diesem Teil des Abends sprang endgültig die Werbetrommel für E-Fuels an. Es wurden die üblichen Nebelgranaten und Falschinformationen verbreitet. Eine Analyse:

„Man braucht E-Fuels, um die Bestandsflotte zu weiter zu betreiben.“ – FALSCH

  • Wenn man Leuten verspricht, dass Verbrenner weiter eine Option sind, wird die Bestandsflotte nicht verschwinden. Denn einige Menschen werden auf den Schwindel reinfallen und zukünftig weiter solche Fahrzeuge kaufen.
  • Um die bestehenden Fahrzeuge mit E-Fuels zu betreiben, braucht es große Mengen davon. Diese gibt es aber nicht und wird es bis auf weiteres nicht geben. Bis 2035 sind weltweit 60 Projekte zur Erzeugung angekündigt. Diese würden aber nur 10% des Bedarfs für Luft- und Schifffahrt abdecken (9). Und das ist nur der Bedarf für Deutschland (! nicht weltweit). Von diesen Projekten sind nur 1% sicher finanziert. Das zeigt, dass auch Investoren die Finger davonlassen.
  • Da es E-Fuels in der hinreichenden Menge in den nächsten zwei Jahrzehnten nicht geben wird, werden Leute, die noch immer mit Verbrennerfahrzeugen unterwegs sind, fossile Stoffe nutzen müssen. Diese sind klimaschädlich und werden in den nächsten Jahren immer teurer.

„E-Fuels sind klimaneutral.“ – FALSCH

  • Diese können bestenfalls treibhausgasneutral sein. Klimaneutral ist mehr als CO2-Emissionen, es beinhaltet auch weitere Treibhausgase sowie Auswirkungen durch die Veränderungen des Albedo.
  • Die heute existierenden Anlagen produzieren nicht einmal annähernd treibhausgasneutral. Der Strom stammt auch aus dreckigen Quellen und das benötigte CO2 wird meist nicht aus CC-Verfahren (Carbon Capture = Abscheiden und Einfangen von CO2) vor Ort erzeugt, sondern mit Diesel-LKW angeliefert (10). Treibhausgasneutralität wäre möglich, aber bis auf weiteres nicht existent.
  • Wegen nicht genügend erneuerbarer Energien und fehlenden CC-Verfahren sind E-Fuels derzeit mindestens so klimaschädlich wie fossile Stoffe (11).

„Die Infrastruktur gibt es bereits.“ – TEILWEISE RICHTIG

  • Tankstellen gibt es. Aber die braucht man nicht mehr. Ein Elektroauto wird geladen, wenn es rumsteht, was bei PKW meistens der Fall ist.
  • Die Transportkapazitäten gibt es. Aber in Form von Tankschiffen, die mit Schweröl fahren. Die könnten auch mit E-Fuels fahren, aber dann bleibt nichts mehr für die Porsche-Fahrenden. Die von Herrn Brasseur erwähnten Pipelines für die Anlieferung des nötigen CO2 oder dem Transport von E-Fuels nach Europa sind Wunschprojekte. Und wer sich an Desertec und deren Idee einer HGÜ-Leitung (Hochspannungsgleichstromübertrag) durchs Mittelmeer erinnern kann, hat ein Déjà-vu (12).
  • Heutige Erzeugungsanlagen für E-Fuels befinden sich alle im Versuchsstadium und sind weit davon entfernt, skalierbar zu sein. Sollte es eines Tages möglich sein, so ist das zu weit weg in der Zukunft. Wir haben für diese Luftschlösser in Bezug auf die Klimakrise keine Zeit mehr. Zudem gibt es bereits heute die technologischen Möglichkeiten, die Verbrennern weit überlegen sind. Außerdem kosten diese Technologien wesentlich weniger und sind klima- und umweltschonender als E-Fuels.

Herr Roth versprach Menschen etwas, was es nicht für die Straßenanwendung geben wird. E-Fuels und die Verbrennung allgemein sind und bleiben riesige Effizienzkiller. Damit fallen sie für eine klimafreundliche Art des Antriebes aus. Außerdem bleiben weitere Nachteile von Verbrennungsmotoren in Form von Emissionen anderer Giftstoffe oder Lärm bestehen. Zudem sind Verbrenner nicht fähig beim Ausrollen kinetische Energie in elektrische Energie umzuwandeln, um diese für späteren Bedarf zu speichern. 


Die Publikumsdiskussion – Lief nicht so, wie es die Veranstalter wollten

Laut Agenda sollte die Veranstaltung bis 20 Uhr dauern. Gegen 19:30 Uhr waren die Redebeiträge durch. Die verbliebe Zeit wurde jedoch nicht vollständig für Beiträge aus dem Publikum genutzt, lediglich drei Teilnehmer kamen zu Wort. Diese Teilnehmer haben aber keine neugierigen Fragen gestellt, wie es sich die Veranstalter gewünscht hätten (O-Ton Moderator im anschließenden persönlichen Gespräch). Die Sprecher wiesen auf die oben genannten Fehler hin. Es ist daher anzunehmen, dass die Publikumsrunde daher bewusst verkürzt wurde, um nicht unnötig kritische Rückmeldungen zu ertragen. 

Nach der Veranstaltung habe ich selbstverständlich versucht, mit den Protagonisten direkt in ein Gespräch zu kommen. Was diese aber unter einem scheinbaren Vorwand abbrachen. Auch hier merkt man ein häufiges Phänomen, dass die Verfecht:inner der veralteten Technologien sehr dünnhäutig sind und mit Gegenrede nicht umgehen können. Um es mit Harald Depta zu beschreiben: „Sie möchten in ihren Realitätsferien nicht gestört werden.“


Feigenblatt Technologieoffenheit

Bevor ich aber zum Fazit komme, möchte ich noch auf den in der Verbrenner-Fan-Szene oft beschworenen Begriffen der „Technologieoffenheit“ eingehen. Neuerdings wird in diesem Zusammenhang auch gerne von „Technologieneutralität“ gesprochen. Diese Begriffe wurden natürlich auch in dieser Veranstaltung mehrfach verwendet. Sie suggerieren, dass man sich alle Optionen für die Zukunft offen lassen müsse. Doch genau das Gegenteil passiert, wenn man so agiert, wie die Verbrenner-Fans. Die Physik des Verbrennungsprozesses, die wir seit vielen Jahrzehnten sehr gut verstanden haben, wird sich auch in 10 bis 20 Jahren nicht ändern. Der Verbrennungsprozess ist ein Übergang eines Energiezustands in einen anderen. Diese Übergänge sind und bleiben Effizienzvernichter. In Fällen, in denen es ohne diese Energieübergänge schlicht nicht geht, wie zum Beispiel in Teilen der Industrie, wird man mit diesem Malus leben müssen. 

Es gibt aber keinen einzigen Grund etwas in einer Art und Weise zu machen, die einer längst ausgereiften und verfügbaren Technik in allen Belangen unterlegen ist. Schon heute können bodengebundenen Antriebe elektrische Energie direkt im Antriebsstrang nutzen. Es ist daher absolut abwegig, wenn man stattdessen ein Vielfaches der Energie vergeudet, um einen Stoff zu erzeugen, den man dann mit weiterer Verschwendung in Bewegung umwandelt.

Das Festhalten an Altem gegen jede Evidenz führt am Ende zur Konservierung einer nicht mehr konkurrenzfähigen Lösung. Damit werden neue Möglichkeiten nicht genutzt und man verharrt im Alten. Damit ist diese Form der Technologieoffenheit am Ende eine Innovationsfeindlichkeit.


Verbrenner-Aus

An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass schon der Titel der Veranstaltung „Verbrenner-Aus“ einen inhaltlichen Fehler enthält. Es gibt auf EU-Ebene keine Initiative, die Verbrenner verbieten will, sondern nur die Neuzulassung von Antrieben, die Treibhausgase emittieren und dafür gibt es gute Gründe. Damit ist auch die ständig widerholte Behauptung falsch, man hätte sich einseitig auf die Elektromobilität festgelegt. Eine technische Lösung wird von der Gesetzgebung gar nicht vorgegeben. Sollte irgendjemand eine wettbewerbsfähige Lösung entwickeln, die durch Verbrennung einen Antrieb erzeugt und bei dem keine Treibhausgase emittiert werden, ist das auch künftig eine Option. Damit ist die EU-Gesetzesinitiative genau das, was Technologieoffenheit sein sollte. Die Fans der Verbrennungstechnik und Verfechter von E-Fuels haben sich dagegen festgelegt. Sie wollen das Alte um jeden Preis bewahren und schränken damit den technologischen Weg extrem ein.


Fazit – Gefahr für Gesellschaft und Wirtschaft

Dies war eine Veranstaltung, die unter dem Deckmantel einer Aufklärung und faktenbasierten Diskussion das Gegenteil davon erzeugt. Es war letztlich eine Desinformationskampagne der Fossil-Lobby. Diese Formate erscheinen vordergründig seriös und für Menschen, die sich mit der Materie nicht auskennen, wirkt alles sehr konsistent und überzeugend. Gerade Beiträge von emeritierten Professoren machen Eindruck. Damit glauben Menschen diese Aussagen und werden zu falschen Handlungen bewegt. Falsch interpretierte Fakten, Framing, Flooding the zone with shit oder das Weglassen von unbequemen Tatsachen verfangen.

Die Folgen: Weitere Emissionen und enorme Kosten, welche zwar die Betroffenen aber letztlich auch die ganze Gesellschaft wird bezahlen müssen.

Für die Wirtschaft werden zudem falsche Signale gesetzt. Erweckt man den Anschein, dass man nichts ändern muss, weil pinke Einhörner einem die Veränderung scheinbar abnehmen, werden dringend notwendige Veränderungen sabotiert. Während man selbst die Entwicklung verpasst, haben sich aber andere auf den Weg gemacht und sind voraus. Die Folgen sind Verluste an Wettbewerbsfähigkeit und an Wohlstand. Die deutsche Autoindustrie ist dafür ein Paradebeispiel. Zu lange wurden die offensichtlichen Veränderungen ignoriert bzw. dagegen lobbyiert. Als Folge davon spielen die deutschen Hersteller international nur noch eine untergeordnete Rolle.

Ich möchte daher dringend an alle appellieren, sich genau anzuschauen, wer die Leute sind, die solche Veranstaltungen ausrichten. Lassen Sie sich dabei nicht von akademischen Titeln und schönen Zahlen blenden. Die Natur verhandelt nicht und keine Technologie der Welt wird die Regeln der Physik verändern und uns vor notwendigen Verhaltensänderungen bewahren.

Bei Fragen oder Kommentaren zu diesem Thema schicken Sie uns einfach eine Nachricht.

Herzliche Grüße
Mario Buchinger

#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können.


Quellen:

  1. https://www.derstandard.de/story/2000141094353/forscher-e-autos-werden-schnell-wieder-verschwinden
  2. https://insideevs.de/news/692096/elektroautomarkt-weltweit-3quartal2023-cam-bratzel/
  3. https://www.dw.com/de/wie-elektro-pioniere-afrika-mobil-machen/a-64535383
  4. https://www.ipcc.ch/2022/04/04/ipcc-ar6-wgiii-pressrelease/
  5. https://www.theguardian.com/environment/2021/sep/06/climate-crisis-transatlantic-flight-global-economy-gdp
  6. https://www.energiezukunft.eu/politik/europa-kann-bis-2030-energiesouveraen-werden/
  7. https://www.buchingerkuduz.com/blog/world-energy-outlook-2022/
  8. https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/flood-the-zone-with-shit-erklaert-von-bernhard-poerksen-100.html
  9. https://www.pik-potsdam.de/members/Ueckerdt/E-Fuels_Stand-und-Projektionen_PIK-Potsdam.pdf
  10. https://autoundwirtschaft.at/news/40124-noch-immer-kein-windpark-fur-porsche-e-fuels
  11. https://www.nature.com/articles/s41558-021-01032-7
  12. https://de.wikipedia.org/wiki/Desertec