Liebe Leser:innen, die letzten Woche war etwas ruhiger, da konnte ich endlich die versprochene Jahresbilanz unserer Photovoltaik-Anlage erstellen. Auch wenn die PV-Anlage mit 6,16 kWp recht klein dimensioniert ist, passt sie für unser Profil sehr gut. Wir hätten auch lieber eine größere Anlage montiert – was platzmäßig kein Problem gewesen wäre – aber die Kosten für zusätzliche Leitungsrechte seitens des Netzbetreibers standen leider in keinem Verhältnis. Sie merken, die Energiewende scheitert manchmal an banalen Dingen, aber vielleicht tut sich in den kommenden Jahren diesbezüglich etwas, dann können wir noch nachrüsten.
Kleine Photovoltaik-Anlage – große Wirkung
Unsere Photovoltaik-Anlage erzeugte in den vergangenen zwölf Monaten, ab der Inbetriebnahme Ende Juni 2020, 6.621,5 kWh Strom, was für Eingeweihte einen Ertrag von 1075 kWh/kWp bedeutet und damit sehr gut ist.
Tipp: Als Daumenregel kann man eine jährliche Produktionsmenge von 1.000 kWh/kWp annehmen, wenn die Anlage nach Süden ausgerichtet ist und in Österreich liegt. Bei weiter im Norden liegenden Anlagen, kann das auch weniger sein (950-980 kWh/kWp), da sich der Winkel der Sonneneinstrahlung ändert.
Unser gesamter Jahresstromverbrauch in dieser Zeit betrug 10.890 kWh, welcher für Betrieb und Privathaushalt, für Heizung und Mobilität verwendet wurde. Mit dieser „Sektorkopplung“ – bei der mit einer Energieerzeugungsart mehrere Anwendungen versorgt werden – werden wir derzeit noch als eher Exoten betrachtet.
Mengenlehre
Von der erzeugten Strommenge nutzten wir 86 % selbst (5.694 kWh), der Rest wurde in das Stromnetz zurückgespeist.
Daraus errechnet sich eine Eigenbedarfsdeckung von 52,3 % – also mehr als die Hälfte des benötigten Stroms können wir mit unserer „Mini“-Anlage decken. Der zugekaufte Strom ist selbstverständlich Ökostrom.
Da fehlt noch was
Besonders in den Zeiten, wenn keine oder nur wenig Sonne scheint, also im Winter und in der Nacht, reicht die Stromversorgung über Photovoltaik leider nicht. Daher wollen wir im Jahr 2022 unser System um einen Stromspeicher ergänzen. Damit kann auf jeden Fall in den Abend- und Nachtstunden die Stromversorgung im Haus unterstützt werden. Wie sich die Wärmeversorgung einbinden lässt, wird derzeit evaluiert.
Kostenbetrachtung
Wenn man die Investitionskosten der kompletten Photovoltaikanlage (Module, Wechselrichter, Verkabelung, Untergestell, Dachhaltungerung, etc.) durch die berechnete selbsterzeugte Strommenge über eine Laufzeit von 20 Jahren dividiert, kommt man in unserem Fall auf Stromgestehungskosten von 0,07 ct/kWh. Da wir auf 1100 m Seehöhe leben, waren in unserem Fall auch mehr Investitionen in die Unterkonstruktion nötig, um die Schneelasten sicher aufnehmen zu können und nur bestimmte Module konnten verwendet werden. Das ist aber eher eine seltene Konstellation in Mitteleuropa.
Unser E-Auto, ein Tesla 3 AWD, braucht 16,5 kWh auf 100 km, damit belaufen sich die „Tankkosten“ auf 1,2 ct pro Kilometer. Nur zum Vergleich: Bei einem konventionellen Fahrzeug mit 6 Liter Verbrauch auf 100 km und einem angenommen Preis von 1,20 Euro kommen Sie auf 7,2 ct pro Liter.
Wir rechnen derzeit mit einer Amortisierung der Projektkosten der Photovoltaik-Anlage von etwa 10 Jahren über die Kostenersparnis beim Strombezug. Selbst wenn die österreichischen Strompreise niedriger als die in Deutschland sind, ist das durchaus konservativ kalkuliert. Danach ist die Anlage im Plus und erwirtschaftet über die Laufzeit von mindestens 20 Jahre Gewinne. Wir haben zur Sicherheit die Kosten für einen Tausch des Wechselrichters einkalkuliert. Beim restlichen System sind erfahrungsgemäß keine großen Reparaturen nötig. Sollte durch starken Hagel das Glas der PV-Module beschädigt werden, empfiehlt sich eine entsprechende Abdeckung in der Gebäudeversicherung, damit die Modul entsprechend getauscht werden können.
Apropos Laufzeit: Die Module haben eine garantierte Mindestertragsleistung über 20 Jahre, in Fachkreisen geht man von Laufzeiten für PV-Anlagen von mindestens 25 Jahren, eher sogar 30 oder 35 Jahren aus. Auch wenn eine Ertragsdegradation von 0,1 % bis schlimmstenfalls 0,5 % pro Jahr zu erwarten ist, wären das noch immer sensationelle Werte. Bei 20 Jahren Laufzeit, beträgt die Leistungsfähigkeit dann noch immer bei 90 %.
Und wie sagte einmal ein Chef von mir:
„Die Sonne schickt keine Rechnung.“
Probieren Sie das mal mit einer Öl- oder Gasheizung. Die Sonne scheint jeden Tag und daher bekommen wir täglich kostenlose Energie frei Haus geliefert.
Ausblick
Ich kenne ein paar Veränderungsmuffel, die an der einen oder anderen Stelle im Text geseufzt haben. Ja, auch wenn 52 % Eigenbedarfsdeckung noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind – sind sie bereits ein wesentlicher Teil und ein wichtiger Schritt auf dem richtigen Weg. Die letzten Wochen haben uns eindrücklich gezeigt, dass die jahrelangen Warnungen der Wissenschaft leider keine Luftnummer sind und dass wir mit der Physik nicht verhandeln können. Daher zählt jeder Beitrag und wir arbeiten ständig an unserer eigenen Verbesserung. Und ich frage einfach mal zurück: Wie viel der von Ihnen benötigten Wärme, des Strom und der Energie für Mobilität erzeugen Sie selbst?
Wie gesagt, das nächste Projekt ist bereits in Planung: Ein Stromspeicher soll unser System ergänzen und verbessern. Darüber werde ich selbstverständlich berichten. Momentan bin ich mit einem Projekt im Rahmen der United Nations Nachhaltigkeitsintiative Global Compact beschäftigt und evaluiere unsere Treibhausgas-Emissionen. Und sollten Sie schon mal vom Thema „Science Based Targets“ gehört haben – darum geht es auch. Ich werde in den kommenden Monaten im #RestartThinking Blog sicherlich auch darüber schreiben.
Umweltaspekte des eigenen Photovoltaik-Stroms
Die Diskussion um die eingesetzten Materialien oder die Entsorgung der Module ist in Anbetracht der Umweltschäden durch konventionelle Energieerzeugung scheinheilig. Ja, der Prozess benötigt Ressourcen – wie jede andere Energieerzeugung auch – aber die Auswirkungen dadurch sind wesentlich geringer:
- Der Ressourcenbedarf in der Produktion ist im Vergleich zu anderen Stromerzeugungsarten überschaubar. Geht es um die Betrachtung des CO2-Fußabdrucks, so kann die PV-Anlage über die Laufzeit auch wesentlich mehr CO2 einsparen, als für die Produktion nötig ist. Selbst wenn die Module in China produziert werden.
- Der Energiebedarf zur Herstellung ist gering, denn die benötigte Energie um die Anlage zu erzeugen ist in unter zwei Jahren produziert und damit ist der Energieeinsatz bereits nach kurzer Zeit amortisiert.
- Und besonders wichtig: Es ist keine CO2-intensive Herstellung des Brennstoffs nötig. Das wird von Fans der konventionellen Energie gerne vergessen. Die Umweltschäden durch den Anbau und die Anreicherung von Uran oder der Kohleabbau sind massiv und da man ständig energieintensiv erzeugte Rohmaterialien zuführen muss, kann diese Form der Energiegewinnung nicht nachhaltig sein. Denken Sie daran, die Sonne schickt keine Rechnung.
- Und wenn jetzt das Argument mit dem Elektroschrott kommt: Der derzeitge Entsorgungsgrad der PV-Module liegt bei etwa 90 %. Momentan ist es aber noch so, dass viel zu „wenige“ Module zu den Recycling-Anlagen kommen und die Entsorger die Anlagen nicht voll auslasten können. Das hat einen einfachen Grund: Die Photovoltaik-Module funktionieren wesentlich länger als ursprünglich angenommen.
- Rückbau der Anlage: Eine Photovoltaik-Anlage ist auch schnell wieder abgebaut, denn egal ob bei Aufdach- oder Freiflächeninstallation, die Halterungen sind meistens aus Aluminium und können entweder gleich weiterverwendet werden oder sie können komplett dem Recycling zugeführt werden, genauso wie die Kabel oder Wechselrichterkompontenten. Versuchen Sie das mal mit einem Atom-Reaktor.
In allen Fällen trägt eine PV-Anlage dazu bei, dass anderswo weniger Strom und weniger CO2 produziert werden müssen. Das führt mich zum nächsten – besonders wichtigen – Punkt.
Strom-Bewusstsein
Selbstverständlich ist die Einsparung von Energie die oberste Priorität, denn die beste Energie ist die, die wir NICHT brauchen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ein E-Auto mit der unmittelbaren Verbrauchsanzeige (wie im nächsten Bild zu sehen) und dem Vergleich zum prognostizieren Verbrauch den „Energiespartrieb“ weckt.
Die Photovoltaik-Anlage und ein Blick aus dem Fenster beeinflussen unseren Stromverbrauch ebenso. Deshalb haben wir uns auch eine intelligente Energiesteuerung geleistet.
Diese Steuerung regelt gewisse Verbräuche, etwa wird zuerst der Stromverbrauch im Haus mit dem Strom der PV-Anlage versorgt. Überschüssige Solarenergie geht ins Warmwasser bis maximal 60 Grad erreicht sind. Ab einer Erzeugungsmenge von 3,75 kW wird das Auto geladen, wenn die Wetterbedingungen stabil sind (mehr als 10 Minuten gleichbleibend) und vieles mehr. Sie sehen, die Steuerung ist intelligent…
Mir ist wichtig, das ich „live“ die aktuellen Erzeugungs- und Verbrauchswerte auf meinem Mobiltelefon sehe (siehe Bild oben), das fördert das Bewusstsein für die Verbrauchsoptimierung noch mehr. Wir mähen zum Beispiel unseren Rasen nur mit Solarstrom bzw. die Waschmaschine läuft an sonnigeren Tagen. Das ist kein Aufwand und bringt große Wirkung. Das sind Veränderungen, die einen wichtigen Beitrag leisten und nicht weh tun – vorausgesetzt ein bisschen Nachdenken verursacht Ihnen keine Kopfschmerzen.
Fazit zum eigenen PV-Strom
Ich finde die Möglichkeit unseren Strombedarf – vor allem auch für Heizung und Mobilität – selbst erzeugen und beeinflussen zu können sehr spannend. Als Techniklieberhaberin macht mir das Spaß und der Beitrag zur ökologischen Transformation gibt mir ein gutes Gefühl. Oder um es mit E-Pionier Roland Schüren zu sagen:
„Mit Strom von der eigenen PV-Anlage zu fahren, ist wie Gemüse aus dem eigenen Garten zu essen.“
Recht hat er! Kommen auch Sie mit auf den Weg der Veränderungsfähigkeit! Falls Sie Fragen zu E-Mobilität, erneuerbarer Energie oder Nachhaltigkeit haben oder sich zu den Themen austauschen wollen, freue ich mich über Ihre Nachricht.
Herzliche Grüße
Marlene Buchinger