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Ökosoziale Steuerreform und Klimabonus

Die ökosoziale Steuerreform in Österreich

Letzte Woche wurde in Österreich die sogenannte ökosoziale Steuerreform beschlossen. In diesem Beitrag geht es daher um die Frage, was daran öko und sozial sein soll. Da wir uns im #RestartThinking Blog mit Nachhaltigkeit und ökologischer Transformation beschäftigen, lohnt der Blick auf dieses etwas sperrige Thema, denn dadurch werden Trends erkennbar, die uns alle betreffen.

Die Grundzüge der ökosozialen Steuerreform in Österreich

Die generelle Idee ist, die durch die CO2 Bepreisung entstanden Kosten für Bürger:innen und Unternehmen zu kompensieren. Die Steuerreform gliedert sich in drei Bereiche:

  1. Entlastung von Arbeit und Pensionen
  2. Entlastung der Wirtschaft
  3. CO2-Bepreisung bzw. deren Kompensation

Begonnen wird heuer mit einer CO2-Bepreisung in Höhe von 30 Euro/Tonne CO2. Bis zum Jahr 2025 steigen die Kosten auf 55 Euro. Danach sollen die Preise über den Zertifikatehandel ermittelt werden.

Sind 30 bzw. 55 Euro/Tonne CO2 zu hoch oder zu niedrig? Dazu lohnt der Blick in andere Länder und auf ein paar weitere Zahlen.

CO2-Bepreisung im Vergleich

  • Der Preis 30 Euro/Tonne CO2 macht Heizöl, Benzin und Diesel um etwa 8 bis 9 ct pro Liter teurer, das liegt innerhalb der üblichen Preisschwankungen.
  • Wenn in vier Jahren 55 Euro/Tonne CO2 erreicht werden, liegt Österreich damit unter dem Preis, der bereits heute im Rahmen des EU ETS gehandelt wird. Anmerkung: Das ETS (Emission Trading System) deckt ungefähr 40 % der Treibhausgas-Emissionen in Europa ab und umfasst Anlagen zur Energieerzeugung, Luftfahrtunternehmen und energieintensive verarbeitende Industrie. 
  • Von Vorreiterrolle kann bei Österreich keine Rede sein. Deutschland ist letztes Jahr mit 25 Euro/Tonne CO2 für fossile Brennstoffe gestartet und liegt heuer ebenfalls bei 30 Euro. Auch hier ist der Beitrag für eine wirkliche Lenkungswirkung viel zu gering.
  • Schweden ist mit rund 115 Euro/Tonne CO2 da schon wesentlich weiter.
  • Auch in der Schweiz beträgt die CO2-Steuer auf Brennstoffe etwa 100 Franken/Tonne CO2.
  • Großbritannien schaffte es mit der CO2-Bepreisung im Stromsektor die Emissionen in diesem Bereich binnen vier Jahren um 40 % zu reduzieren. 

Wie sieht es mit den erwähnten Kompensationsmaßnahmen für die Bürger:innen und Unternehmen aus? 

Entlastung von Arbeit und Pensionen

Der erste Teil ist besonders für Verdiener:innen mit mittleren Einkommen interessant, denn in diesem Bereich werden die Steuersätze gesenkt. Der Einstiegssteuersatz bleibt unverändert, damit sind Bezieher:innen von niedrigen Einkommen nicht berücksichtigt. Der Steuersatz der 2. Tarifgruppe wird mit 01.07.2022 von 35 auf 30 % gesenkt. Im nächsten Jahr wird wieder zur Jahresmitte der 3. Steuersatz von 42 auf 40 % gesenkt. Das bedeutet in den jeweiligen Jahren Mischsätze und einen ziemlichen Aufwand für alle Beteiligten, da der Wechsel mitten im Jahr organisatorischer Wahnsinn ist. 

Dazu kommt eine Erhöhung des Familienbonus. Dieser ist aber an die Steuerhöhe gekoppelt, ergo fallen Geringverdiener:innen wieder durchs Raster. Wenigstens werden für kleinere und mittlere Einkommen die Krankenversicherungsbeiträge gesenkt, was aber die Krankenkassen schwächt. Es handelt sich um einen Taschenspielertrick, denn die Krankenkassen werden sich die fehlenden Millionen auch irgendwoher holen müssen – notfalls über eine Kürzung der Leistungen.

Die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteilung an Unternehmen ist nett, wird aber wahrscheinlich keine großen bzw. weitreichenden Auswirkungen haben. Leider hat die österreichische Regierung mal wieder die Chance vertan die kalte Progression abzuschaffen.

Also im Bereich „sozial“ ist der Wurf nicht so groß wie angekündigt.

Entlastung der Wirtschaft

In diesem Bereich werden die Zielgruppen – Unternehmen und teilweise Landwirte – schon eher fündig, denn die Körperschaftssteuer (KÖSt) wird von 25 auf 23 % bis 2024 gesenkt. Etwa die Hälfte der KÖSt wird in Österreich von nur 3.000 Unternehmen gezahlt. Die andere Hälfte von 130.000 Firmen. Diesbezüglich kann man schon sehen, wer von dieser Regelung profitieren kann. Es sind vor allem multinationale Unternehmen, die bisher auch schon die Möglichkeit zur Steuergestaltung in Anspruch genommen haben. 

Weitere Geschenke, wie die Anhebung der GWG-Grenze (geringwertige Wirtschaftsgüter, die im Gegensatz zum Anlagevermögen im selben Jahr der Anschaffung abgeschrieben werden können) werden von 800 auf 1000 Euro ab 2023 erhöht. Naja. Zudem kommt noch ein Investitionsfreibetrag, der mit ökologischen Kriterien verknüpft ist. 

Eine sehr sinnvolle Maße ist allerdings die Eigenstrombefreiung: Ab Mitte 2022 soll für selbst hergestellte und genutzte elektrische Energie aus Erneuerbaren Energiequellen die Elektrizitätsabgabe wegfallen. Diese Maßnahme ist längst überfällig.

Kompensation der CO2 Bepreisung

Diesen Bereich der ökosozialen Steuerreform finde ich natürlich am spannendsten, denn hier wird sich zeigen wie öko das Gesetz tatsächlich ist.

Landwirtschaftsausgleich: Dadurch sollen landwirtschaftliche Betriebe die Mehrkosten (wie z.B. höhere Dieselkosten) kompensiert erhalten. Die erhoffte Lenkungswirkung wird durch diese Maßnahme aber ad absurdum geführt.

Eine Härtefallregelung für besonders betroffene Unternehmen geht auch in diese Richtung. Dabei sollen Unternehmen, die einen besonders hohen Energiekostenanteil (15 % der Kosten an den Gesamtkosten) haben, einen Teil zurückerstattet bekommen. 

Genauso verhält es sich mit der Carbon Leakage Regelung. Dabei sollen Unternehmen, die ansonsten durch Verlagerung ins Ausland die Regelung umgehen würden, einen Anreiz in Höhe von 65 bis 95 % an Rückerstattung bekommen um im Inland zu bleiben. Der Großteil dieser Kompensation soll dann in CO2-mindernde Maßnahmen investiert werden.

Bei den unternehmensbezogenen Maßnahmen ist wenig „öko“ in der Steuerreform drin, denn Anreize für wirkliche Veränderung sehen anders aus.

Wie verhält es sich bei den Bürger:innen? 

Regionaler Klimabonus als zentrales Element der Steuerreform

Den regionalen Klimabonus bekommen alle in Österreich lebenden Menschen mit ordentlichem Wohnsitz. Wie der Bonus genau abgewickelt wird, steht derzeit noch nicht fest. Die Bürger:innen erhalten 100, 133, 167 bzw. 200 Euro pro Person und Jahr (Kinder davon 50 %), je nach Sitz der Wohnsitzgemeinde. Die Statistik Austria hat dazu bestimmte Kriterien herangezogen, die aber bei genauerer lokaler Betrachtung in der Praxis etwas willkürlich wirken. 

Grundsätzlich gilt: Bei gut erschlossenem öffentlichem Verkehr gibt es einen niedrigeren Klimabonus, in schlecht erschlossenen Gebieten steht der hohe oder höchste Betrag zu.

Dabei werden keine Unterscheidungen beim Einkommen gemacht. In Wahrheit werden Besserverdienende, die sich einen SUV und die Villa im Grünen leisten können, bei dem System sogar bevorzugt. Um wirklich einen sozialen Lenkungseffekt zu erzielen, hätte man auf das Schweizer Modell schauen können. Dort zahlt die Sozialversicherung die Rückerstattung aus und skaliert die Beiträge entsprechend sozial verträglich. 

Fazit: Der Klimabonus ist weder sozial noch regt er ökologische Veränderungen an.

Notwendige Veränderungen

Ich kann die Argumentation der Grünen nur bedingt nachvollziehen, die meinen, es ist besser die Leute mit niedrigen Preisen an das System zu gewöhnen und später den Preis zu erhöhen. Aber nochmals zur Erinnerung:

Derzeit sind die Handelspreise für CO2 schon wesentlich höher und wir haben einfach keine Zeit mehr zu verlieren.

Viel effektiver wären folgende Veränderungen, die auch recht schnell umgesetzt werden können. Denn Österreich verteilt im Verkehrsbereich jährlich etwa 4 Mrd. an umweltschädliche Subventionen (1) :

  • Abschaffung des Dieselprivilegs: Es ist widersinnig, dass Dieselkraftstoff mit mehr Energie und mehr Schadstoffen, weniger besteuert wird.
  • Abschaffung des Dienstwagenprivilegs: Von dieser Regelung profitieren hauptsächlich Personen, die sowieso schon besser verdienen. Eine Erhöhung des Sachbezugs von Firmenautos wäre eine absolut probate Maßnahme.
  • Neuordnung der Pendlerpauschale: Die derzeitige Regelung fördert das „Vielfahren“. Je weiter man fährt, desto mehr bekommt man dafür. Stattdessen könnte das schwedische Modell herangezogen werden, das die Nutzung von öffentlichem Verkehr zugrunde legt und nur in Ausnahmen PKWs berücksichtigt. 
  • Die Steuerfreiheit von Kerosin gehört außerdem abgeschafft, denn während die Bahn den Strom, den sie bezieht, besteuern muss, profitieren Fluglinien von einer Regelung, die bald 80 Jahre alt ist. 

Mehr Gedanken dazu hat sich auch Mario Buchinger im #RestartThinking Podcast gemacht.

Die Zeit drängt

Die Emissionen in Österreich sind von 2013 bis 2020 nicht wirklich gesenkt worden. Das Land möchte aber bis 2040 klimaneutral sein. Diesbezüglich wird die ökosoziale Steuerreform kein wirklich großer Hebel sein. Ein „mauer“ Wurf ist es, um die Bevölkerung nicht zu verschrecken – weder öko noch sozial.

Im Endeffekt hat sich die Regierung Zeit erkauft, die wir nicht haben. Alle Versäumnisse gehen zu Lasten der jetzigen und nachkommenden Generationen. Und nur zur Erinnerung, die Kosten durch die Auswirkungen der Klimakrise sind wesentlich höher als die Investitionen dagegen. (2)

Auch werden gerne die Strafmaßnahmen vergessen, die eintreten, wenn Österreich die Klimaziele verfehlt. Ein Bericht des österreichischen Rechnungshofes weist darauf hin, dass bei den bisher verbindlich umgesetzten Maßnahmen Österreich die „Klimaziele 2030 deutlich verfehlen“ würde. Für den Betrachtungszeitraum 2021 bis 2030 liegen daher Schätzungen vor, die den Ankauf von Emissionszertifikaten im Wert von bis zu 9,214 Milliarden (!) Euro nötig machen.(3) 

Was man für dieses Geld alles an Erneuerbaren Energiequellen hinzubauen könnte! Damit könnten wiederum Emissionen reduziert und auch eine Kostenstabilität für die Bevölkerung erzielt werden. Denn keine Energieform ist günstiger als Wind- und PV-Strom. Weitere Faktoren, wie die Stärkung der lokalen Wirtschaft und die Reduktion der Importabhängigkeit, werden auch gerne vergessen. 

Das Fazit

Ein lieber Kollege von uns nannte die ökosoziale Steuerreform diese Woche „einen Marketing-Gag“ und er hat Recht.

Es gibt bei dieser „ökosozialen Steuerreform“ keine Anreize für wirkliche Veränderung. 

Mein Mann und ich werden auch jeweils 200 Euro Klimabonus im Zuge dieser Steuerreform erhalten. Und das obwohl es finanziell nicht nötig wäre und wir unsere Hausaufgaben bereits gemacht haben. In unserem Haushalt und Unternehmen gibt es nur mehr ein Auto, noch dazu elektrisch betrieben, die meisten Fahrten machen wir mit öffentlichem Verkehr, in unserem Gebäude gibt keine Verbrennungsprozesse mehr und unseren Strom für Energie, Wärme und Mobilität erzeugen wir zu mehr als die Hälfte selbst. Daher treffen uns die derzeitigen Preissteigerungen im Energiebereich nicht oder nicht so schlimm. 

Die 8 ct pro Liter als Einstiegspreis für CO2 von Treibstoff oder Heizöl werden keinen wirklichen Anreiz für Veränderungen bringen. Die Impulse kommen derzeit eher von außen, denn die hohen Preise für Gas und Energie werden einige – Personen wie Unternehmen – vielleicht zum Umdenken anregen. 

Was meinen Sie? Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Dann freue ich mich auf Ihre Nachricht!

Herzliche Grüße
Marlene Buchinger

Veränderung. Denken. Können.
#RestartThinking


Quellen:

Mehr zur ökosozialen Steuerreform finden Sie auf der Homepage des österreichischen Parlaments.

  1. Daniela Kletzan-Slamanig, Angela Köppl: Studie „Umweltschädliche Subventionen in den Bereichen Energie und Verkehr“ erschienen im WIFO Monatsbericht, 2016, 89(8), S. 605-615
  2. Nicholas Stern, Bericht „A time for action on climate change and a time for change in economics“, 2021
  3. Bericht des Rechnungshofes „Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020“, 2021