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Mobilitätswende – neue mobile Zukunft

Mobilitätswende - wie kann die mobile Zukunft aussehen?

Die letzten Wochen haben auch die mobile Welt etwas auf den Kopf gestellt. Durch Corona, das entsprechende Verlagern vieler Tätigkeiten ins Homeoffice, Ausgangssperren und Verkehrsbeschränkungen war es plötzlich ruhig auf unseren Straßen. Was kann man daraus lernen? Und wie kann die Mobilitätswende aussehen?

Der Wahnsinn mit dem Auto

Sicherlich war das Konzept „Auto“ lange sinnvoll, doch mittlerweile frage ich mich immer mehr: „Warum tun wir uns diesen Wahnsinn an?“ Die Fixierung auf das Fahrzeug selbst, behindert uns bei den nächsten Schritten. Denn worum geht es wirklich?

Mobilität: Wir wollen von A nach B gelangen, alleine oder mit anderen, und eventuell wollen wir etwas transportieren.

Doch was geht mit dem Konzept Auto einher?

  • Wir haben enormen Platzbedarf an Flächen für Straßen, Parkflächen, Parkhäuser, Tankstellen, etc. Gehen Sie mal durch den nächsten Ort oder die nächste Stadt und ersetzen Sie all diese Flächen mit Parks, Spielplätzen, Spazierflächen und Wiesen.
  • Nun überlegen Sie mal, was es kostet diese Infrastruktur zu errichten und Instand zu halten?
  • Jeder und jede, die an einer Straße wohnen, kennen ihn: Lärm, verursacht durch den Straßenverkehr.
  • Über die Umweltverschmutzung haben wir in diesem Zusammenhang schon oft geschrieben.
  • Und wir laufen Gefahr durch sinnlose Raserei und wenn andere Verkehrsregeln missachtet werden.

Aber es kommt noch schlimmer…

In der Wirtschaft werden oft Investitionsentscheidungen anhand von Kennzahlen über Nutzung, Auslastung oder Effizienz getroffen, denn man möchte eine Ressource gerne optimal ausnutzen. Wie sieht es da mit Autos aus?

  • Autos werden etwa eine Stunde pro Tag gefahren (4 % des Tages), bei Zweit- oder Drittwagen liegt die durchschnittliche Nutzungszeit bei einer halben Stunde (2 %). (1)(2)
  • 94 % aller gefahrener Strecken in Österreich sind kürzer als 50 Kilometer, der Durchschnitt pro Tag liegt bei 34 Kilometern. (1)
  • Zudem sind die Fahrzeuge nicht voll besetzt: Laut einer Studie der TU Dresden befinden sich auf dem Weg zur Arbeit durchschnittlich 1,2 Personen im Fahrzeug und bei Dienstfahrten nur 1,1 Personen. Bei Fahrten zum Einkaufen sind es 1,5 Menschen und bei Freizeitfahrten zumindest 1,9 Personen.
  • Das bedeutet zusammengefasst, wir halten irrsinnig viele Ressourcen vor, damit in fast leeren Fahrzeugen, zeitlich sehr ineffizient, wenige Menschen befördert werden können. Wenn man das noch mit SUVs, mit irrsinnigem Material- und Spritverbrauch macht, lässt sich der Wahnsinn kaum mehr vernünftig erklären und schreit nach einer Mobilitätswende. Das bringt mich gleich zum nächsten Thema.

Wie sieht es mit dem Treibstoff aus?

Wenn Sie das nächste Mal zu einer Tankstelle fahren, denken Sie daran, wie der Liter Benzin oder Diesel überhaupt dorthin kommt. Wir fördern Erdöl unter enormen Umweltrisiken in oftmals politisch instabilen Regionen. Unfälle, wie Deep Water Horizon, das Leck in Trans-Alaska-Pipeline, die Ölpest im Nigerdelta oder vor Brasilien, sind oft nur eine kurze Notiz in den Nachrichten, haben aber für die jeweiligen Regionen katastrophale Auswirkungen. Dann transportieren Tanker, die Schweröl verbrennen, das Öl leider auch nicht unfallfrei zu Häfen oder zu Raffinerien. Schiffsunglücke wie Exxon Valdez, Kataina und Rena kommen regelmäßig vor und dürfen nicht vergessen werden. Anschließend werden unter enormem Energieaufwand die Treibstoffe hergestellt und dann mittels Diesel betriebenen LKWs zur Tankstelle transportiert. Das klingt aufwendig und widersinnig? Ja, das ist es auch.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass sowohl die Flüssigkeiten selbst giftig sind, als auch die Dämpfe (z.B. Benzol), die beim Tanken frei werden, dann klingt das nicht gut. Dennoch halten wir das Prozedere irgendwie für normal, weil wir uns an den Wahnsinn gewöhnt haben. Ich bezweifle, dass man sowas wie ein Auto mit Verbrennungsantrieb heute genehmigen würde, wenn es dies noch nicht gäbe und jemand auf so eine abstruse Idee käme.

Keine Sorge, ich will Ihnen jetzt nicht das Tanken verbieten. Aber diese Betrachtung ist ein weiterer schöner Anlass für eine Mobilitätswende. Wenn man erkennt, dass die Dinge nicht sinnvoll ablaufen, wird es Zeit etwas zu ändern.

Es wird Zeit für die Mobilitätswende

Was bedeutet das? Es geht nicht darum, das Antriebskonzept eines Fahrzeuges durch ein anderes zu ersetzen. Diesel raus – E-Motor rein, nein, das ist nicht die Lösung. Es geht darum, die Mobilität neu zu denken.

  • Welche Fahrten sind überhaupt notwendig?
  • Muss man dafür ein Fahrzeug noch besitzen?
  • Wie können alternative Varianten aussehen?

Die „Corona-Zeit“ hat uns gezeigt, dass ein Großteil der täglichen Fahrten oft sinnlos und unnötig ist. Digitale Arbeitsweisen haben einen großen Sprung gemacht und viel kann von zu Hause aus gearbeitet werden, viele Dienstreisen wurden dadurch plötzlich hinfällig und die tatsächlich notwendigen Fahrten und Flugreisen wurden bewusster durchgeführt. Im privaten Bereich verhielt es sich genauso.

Ich habe die Ruhe sehr genossen, diese ist allerdings jetzt wieder vorbei. Mit einem gewissen Unverständnis sehe ich, wenn die Nachbarn nur für ein paar Minuten mit dem Auto irgendwo hin fahren und sich das Schauspiel mehrmals täglich wiederholt. Da frage ich mich:

  1. Sind diese Fahrten überhaupt notwendig oder ist es nur eine Beschäftigungstherapie?
  2. Wenn nicht vermeidbar, lassen sich diese Fahrten nicht kombinieren?
  3. Wäre ein anderes Verkehrsmittel sinnvoller?

In urbanen Gebieten besteht eine größere Auswahl an Transportmöglichkeiten (Bus, Bahn, U- bzw. Straßenbahn, Leihfahrräder, Carsharing), doch auch am Land gibt es mittlerweile Alternativen, wie Dorfbus, teilweise Rufbuse, Mitfahrbörsen, außerdem besitzen viele ein E-Bike. Besonders lustig finde ich es, wenn die sportlichen TirolerInnen zwar auf den Berg gehen, aber zuerst mit dem Auto zum Berg hinfahren.

Wie wäre es mit folgendem Gedankenexperiment?

 

Mobilitätswende: Wir gewinnen an Gesundheit und Wohlbefinden indem wir mal nicht mit dem Auto fahren.

Die bewusste Überlegung und die Entscheidung sind der erste Schritt – Sie handeln selbstbestimmt und vielleicht bemerken Sie, dass viele Fahrten gar nicht nötig sind. Dann kommen noch gesundheitliche Aspekte, wie Bewegung an der frischen Luft und eine kleine Auszeit, hinzu. Das positive Gefühl, den inneren Schweinehund überwunden zu haben, belohnt Sie zudem.

Mein persönliches Highlight ist, wenn ich zur Poststelle muss. Diese liegt drei Kilometer entfernt – der Radweg führt an einem idyllischen Bach entlang, die Vögel zwitschern – und selbst bei Regen lässt sich das Ganze in 15 Minuten erledigen. Ich fahre auf direktem Weg und brauche keinen Parkplatz suchen. Im Winter funktioniert das ganze als 60-minütiger Spaziergang genauso oder man nimmt den Dorfbus, der seine regelmäßigen Runden fährt.

Die nächsten Ziele

Da Reden bzw. Schreiben alleine nicht hilft, gehen wir selbst mit gutem Beispiel voran: Nachdem wir vor einem Jahr unser Zweitfahrzeug verkauft haben und nur mehr ein Elektroauto fahren, wurde gleichzeitig soviel wie möglich auf öffentliche Verkehrsmittel für die Langstrecke umgestellt. Lokale Kurzstrecken werden zu Fuß oder mit dem Rad bewältigt. Für diesen ersten Teil wurden wir von den Nachbarn schon für etwas verrückt erklärt, aber sie bemerken mittlerweile, das dieses System für uns gut funktioniert. Das nächste Ziel ist es, auch das E-Fahrzeug überflüssig zu machen. Ideen, wie Mietmodelle oder Sharing-Konzepte, sind für unsere Region noch nicht wirklich verfügbar, aber wir bleiben dran.

Wie sieht Ihre persönliche Herausforderung aus? Ich freue mich auf Ihre Anregungen, Fragen und Kommentare.

Beste Grüße
Ihre Marlene Buchinger

Quellen:

1)VCÖ Publikation über Carsharing
2) VCÖ Info über neue Mobilitätslösungen
3) TU Dresden Studien über KFZ-Nutzung
4) Wikipedia-Liste bedeutender Öl-Unfälle
5) RestartThinking Podcast von Mario Buchinger über die Mobilitätswende