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Klimapsychologie: Warum ändern wir uns nicht?

Klimapsychologie - warum ändern wir uns nicht?

Das Forschungsgebiet der Klimapsychologie wird immer wichtiger. Eigentlich wissen wir, dass sich jede:r verändern muss und trotzdem geschieht wenig. Daher werfen wir heute einen Blick auf diese wichtige Thema.

Wir wissen eigentlich Bescheid

Mein Mann und ich waren Mitte Oktober an der Hochschule Hannover eingeladen um eine Projektwoche zum Thema „Klimatransformation und Nachhaltigkeit“ zu gestalten. Knapp 20 Studierenden aus den Bereichen Elektro-, Automatisierungs- und Energietechnik sowie Wirtschaftsingenieur:innen erarbeiteten interaktiv Themen wie beispielsweise die Dekarbonisierung gelingen kann, wie die Treibhausgasbilanzierung funktioniert und welche Aufgaben ein Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen hat.

Am ersten Tag ging es vor allem um die Auswirkungen der Klimakrise und was in den nächsten Jahren auf die jungen Generationen zukommt. Die Studierenden waren teilweise überrascht bis geschockt als sie das Ausmaß der Veränderungen anhand der IPCC Modellierungen, dem PIK Modell der Kipppunkte (1) und der Planetaren Grenzen vom Stockholm Resilience Center (2), erkannten.

Jeder Beitrag zählt

Jedes Zehntelgrad mit dem wir unsere Erde NICHT erwärmen, ermöglicht unseren Lebensraum in einem sicheren Zustand zu erhalten und die Auswirkungen klimabedingter Schäden, die bereits jetzt immer sichtbarer werden, zu minieren.

In der Woche kam auch immer wieder die Sprache auf die persönliche Einstellung, das Bewusstsein und die Haltung von Menschen. Das führt uns zum Thema Klimapsychologie und ich freue mich, mit Ihnen in dieses spannende Thema einzutauchen. 

Wissen und Handeln – passt das zusammen?

Den Fakten der Klimakrise kann man sich wirklich nicht mehr entziehen. Das bedeutet aber nicht, dass Menschen sofort handeln. Häufig wird durch Fakten rund um die Klimakrise eine sogenannte kognitive Dissonanz ausgelöst, wie es die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke in ihrem sehr empfehlenswerten Buch „Warum machen wir es nicht einfach?“ sehr schön aufbereitet. Ich werde mich in diesem Blogbeitrag noch einige Male auf Frau Uhl-Hädicke beziehen. Die Quellenangabe finden Sie im Anhang unter Referenz (3). 

Kognitive Dissonanz – irgendetwas stimmt nicht 

Jede:r glaubt von sich selbst umweltfreundlich zu handeln und niemand will an der Klimakrise (mit-)schuld sein. Wenn jetzt aber die Aktivist:innen von Fridays For Future, andere Personen oder Institutionen die eigenen Lebensweise (z.B. den Besitz eines riesigen SUV-Fahrzeuges, mehrmalige Urlaubsflüge im Jahr oder den Fleischkonsum) zu Recht anprangern, widerspricht das dem eigenen „positivem“ Selbstbild. Das löst bei der jeweiligen Person wiederum negative Gefühle (Unwohlsein, schlechtes Gewissen, etc.) aus und man spricht von der kognitiven Dissonanz. Manchmal reicht schon das Beobachten von Personen, die anders handeln als man selbst aus, um diesen Zwiespalt aufzulösen (vgl. (3), S.42 ff.).

Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Direkte Handlungen – die tatsächliche Veränderung

Diese Handlungen hängen direkt mit der Bedrohung zusammen. Das Unwohlsein, wenn die eigene Wahrnehmung und die Rückspiegelung von außen auseinanderfallen, führt im besten Fall dazu, dass die Person 

Leider: Es kann allerdings auch passieren, dass die kognitive Dissonanz das nicht erwünschte Verhalten erst recht provoziert. Auch solche Menschen gibt es in unserer Gesellschaft, die dann erst recht mit dem SUV durch die Gegend brausen, zum Shoppen kurz nach London fliegen und noch öfters Fleisch essen. 

2. Indirekte Handlungen – Schuld sind die anderen

Häufig führt die kognitive Dissonanz auch zu symbolischen Handlungen, die mit der ursprünglichen Bedrohung rein gar nichts zu tun haben und auch nicht zu deren Lösung beitragen (vgl. (3), S.26). Die Aktion dieser symbolischen Handlung hilft aber den Stress, der durch die kognitive Dissonanz entstanden ist, abzubauen ((3), S. 29) Dazu zählen u.a. folgende Verhaltensweisen:  

  • Die Aufwertung der eigenen gesellschaftlichen Gruppe und gleichzeitig Abwertung der anderen, die diese Gefühle auslösen. Die eigene Gruppe können soziale Normen oder Weltanschauungen formen (vgl. (3), S. 26 und S. 29). Beispiele für die Abwertung anderer sind die Aggressionen sein, die Greta Thunberg im Internet entgegenschlugen. Oder wenn die Aktivist:innen von Fridays For Future angepöbelt werden und man ihnen das Recht auf Meinungsäußerung abspricht. 
  • Oder man fokussiert auf Nebenschauplätze, mit Aussagen, dass die Teilnehmenden der FFF-Demos nachher zu McDonalds gehen und gar nicht so „grün“ sind. Niemand ist perfekt, aber die, die etwas verändern wollen anzuprangern, weil sie nicht komplett asketisch leben, ist auch scheinheilig. In diesen Bereich fällt auch ausweichendes Verhalten, mit Sätzen wie „die Chinesen sind ja viel schlimmer.“
  • In Experimenten fanden Psychologen laut Autorin Uhl-Hädicke sogar heraus, dass die Probant:innen Menschen mit einer anderen Weltanschauung sogar stärker bestrafen würden, um die Anspannung der kognitiven Dissonanz aufzulösen (vlg. (3), S. 26 und S. 29)

Die Probleme bei der Klimakrise

Leider sind die Bedrohungen durch die Klimakrise sehr umfangreich – also komplex, nicht direkt greifbar, mittelbar in der Zukunft und oft noch nicht für jede:n spürbar – das hemmt die rasche Reaktion, die eigentlich notwendig wäre (vgl. (3), S. 29).

Zudem befördert die Klimakrise Gefühle, wie Ohnmacht, Hilflosigkeit und Kontrollverlust und diese sind nicht hilfreich um bei Veränderungen voran zu gehen (vgl. (3), S. 105ff).

Klimapsychologie – Die menschlichen Einflussfaktoren

Und weil das nicht schon komplex genug ist, gibt es bei uns Menschen ganz viele verschiedene Einflussfaktoren. Dazu zählen beispielsweise das Geschlecht (Frauen sind sozial- und umweltorientierter), das Alter oder EinkommenSymbolische Gründe – Stichwort Status und Konsum – können die Veränderung ebenso verhindern. 

Frau Uhl-Hädicke sieht zudem unterschiedliche Werteinstellung als positiv bzw. hinderlich  bei der Veränderung im Rahmen der Klimapsychologie (vgl. (3), S. 28 f, S. 50 u. S. 92):

  • Altruistisch eingestellte Menschen, denen das Wohl der anderen wichtig ist und Menschen mit hohen Umweltwerten, können mit Fakten zur Klimakrise eher erreicht und mit verschiedenen Maßnahmen leichter zu Veränderungen gebracht werden. 
  • Währenddessen sind Menschen mit egoistischen Werten, denen die eigene (finanzielle) Macht wichtig ist oder Hedonisten, denen das eigene Vergnügen als Maß der Dinge gilt, schwer für Umweltbelange und Fakten zu erreichen. 

Wenn man dann noch bedenkt, dass nicht alle Menschen über Ihr eigene Handlungswirksamkeit Bescheid wissen und dass jede:r einen massiven Beitrag gegen die Klimakrise leisten kann, dann wird schnell klar, dass eine Vielzahl an Maßnahmen nötig sind.

Maßnahmen aus der Klimakrise

Die folgenden Vorschläge sind nur einer kleiner Auszug (vlg. (3), S. 63, S. 90

  • Die Verhaltensänderungen können einerseits durch soziale Normen getriggert werden. Wenn jemand merkt, dass sich das Verhalten bei anderen in der eigenen sozialen Gruppe verändert, ist man darauf bedacht selbst nicht aufzufallen und hat einen Anreiz zur Veränderung. Beim Thema „Flygscam“ oder beim veränderten Konsum von Fleisch kann man das sehr gut beobachten.
  • Gesetzliche Normen sind ebenso wichtig, denn damit wird klar, dass gewisse Verhaltensnormen zur Pflicht werden bzw. andere Aktionen nicht mehr erwünscht sind. Die Einführung der Gurtpflicht war ein Beispiel dafür. Da das auch zur Ablehnung führen kann, gehen politische Akteure dazu über Anreize zu schaffen.
  • Anreizsysteme: Hier hat die Forschung aber herausgefordert, dass diese am besten einmalig und in ausreichender Höhe sein müssen, denn ansonsten „lohnt“ sich die Verhaltensänderung nicht. Bzw. wenn eine regelmäßige Förderung wegfällt, fällt auch häufig der Grund für die Veränderung weg.

Sie merken, wir Menschen sind nicht so rational wie wir gerne von uns glauben.

Die Macht der Gewohnheit

Zu allem anderen kommt noch das Problem mit den Gewohnheiten hinzu. Wir haben zwar mittlerweile Smartphones und interagieren im Internet weltweit, aber evolutionär sind wir in den letzten 10.000 Jahren nicht wesentlich weitergekommen. In dieser Zeit war Energie in Form von Nahrung Mangelware und wir haben versucht mit Routinen Energie zu sparen. Gelernt haben wir nur, wenn wir dazu gezwungen waren. 

Daher sind Routinen für uns auch heute noch so verlockend. Jede:r, die/der schon mal eine neue Sportart nach Silvester probieren wollte, weiß wovon ich spreche. Auch im Alltag, gibt es zig Verhaltensmuster, die zwar bequem aber auch schädlich sind zB dass wir gerne den Fahrstuhl nehmen, anstatt den gleichen Weg auf der Treppe zurück zu legen. 

Schritte aus der Routine

Daher braucht es bewusste Trigger um neue Verhaltensweisen in unser Handeln zu integrieren und diese auch langfristig durchzuhalten. Mir hilft es beispielsweise bereits am Vorabend die Laufschuhe bereit zu stellen, damit am Morgen nicht wieder zig Ausreden dazwischenkommen. Sie können auch mit der Erinnerungsfunktion auf ihrem Smartphone oder Post-ist arbeiten. Ein Freund von uns hat zu einer drastischen Maßnahmen gegriffen und sein Auto weiter weggeparkt. Die Bushaltestelle liegt näher als der Parkplatz, daher fährt er jetzt öfters mit dem Bus als mit dem Auto. Ihrer Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt!

Aber aus der Projektentwicklung weiß ich eines: Startet man mit allem zu gleich, wird nichts rechtzeitig fertig. Nehmen Sie sich ein, zwei Verhaltensweisen vor, die sich verändern wollen und bleiben sie dran. Die Bereiche sind vielfältig: Mobilität, Ernährung, Konsum, Urlaubsziele, Freizeitbeschäftigungen. Es werden auch Rückschläge kommen, aber das gute Gefühl, wenn man es geschafft hat, belohnt.

Zukünftige Fähigkeiten

Das führt mich zum letzten Punkt dieses Blogbeitrags über Klimapsychologie. Wir beschäftigen uns mit unserem Unternehmen Buchinger|Kuduz viel mit Veränderungen und unterstützen Organisationen auf ihrem Weg dorthin. Von den Studierenden in Hannover wurden wir gefragt, welche zukünftigen Fähigkeiten wichtig sein werden. Hier ist unser Best of:

  1. Kommunikation: Die Klimakrise und die daraus resultierenden Veränderungen werden massive Umbrüche nach sich ziehen und Unternehmen massiv fordern. Diese den unterschiedlichen Einflussgruppen (Stakeholdern z.B. Geschäftsführung, Mitarbeitende, Kunden, Betriebsrat) zu vermitteln und auch notwendige Maßnahmen herzuleiten, wird eine Kernkompetenz der Zukunft sein. Wir können die Maßnahmen gemeinsam schaffen und sprechenden Menschen kann geholfen werden. 
  2. Neues Ausprobieren und kurzzyklisches Lernen (auch agiles Arbeiten genannt): Ein „Weiter so“ verstärkt die bereits vorhandenen Probleme nur, also sind neue Verhaltensweisen nötig. Diese fallen aber nicht vom Himmel, sondern müssen gemeinsam erarbeitet werden. Das reicht von der Strategie und damit der ganzen Unternehmensausrichtung zB Art der Dienstleistungen und Produkte, die Unternehmen anbieten und herstellen, über die Beschaffung, Lieferung und Logistik, bis hin zur Verwendungen und dem Wiederverwenden. Aber auch die internen Prozesse und die Kommunikation sind betroffen. Besonders in Deutschland neigt man zur 180 % igen Lösung, die ewig geplant wird, anstatt sich mal auf den Weg zu machen und zu lernen. Fehler passieren auf diesem Weg so und so, doch die Frage ist wie man damit umgeht. Mitarbeitende und Führungskräfte mit Kompetenzen im diesem Bereich werden daher noch dringender gebraucht.
  3. Andere bei Veränderungen unterstützen: Da nicht alle mit diesem Tempo mithalten können, ist neben der Kommunikationsfähigkeit und dem Ausprobieren auch die Fähigkeit von Teamplayern gefordert, die andere bei ihrer Unsicherheit unterstützen können. Das bedeutet für Führungskräfte jetzt nicht, dass alles basisdemokratisch entschieden wird. Sie müssen weiterhin Entscheidungen treffen, aber die Frage ist, wie sie Mitarbeitende einbinden, besonders auch dann, wenn sie skeptisch oder ängstlich sind. Ich spreche hier nicht von den ewigen Nörglern oder Saboteuren. 
  4. Ambiguitätstoleranz: Und wir werden diesen Begriff lernen müssen. Es geht darum mit Mehrdeutigkeit und Widersprüchen besser umgehen zu können. Es wird beispielsweise in den Sommern trockener, aber gleichzeitig werden die Starkregenereignisse zu nehmen. Kältextreme im Winter werden häufiger, auch wenn die Wintermonate im Durchschnitt trotzdem wärmer werden. Diese widersprüchlichen Zustände auszuhalten und richtig einordnen zu können, wird eine wesentliche Fähigkeit in der Zukunft sein (und ist es auch jetzt bereits). 

Für heute möchte ich mit dem Zitat von Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Metrologie (WMO), 2018, schließen:

„Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel vollauf versteht, und die letzte Generation, die in der Lage ist, etwas dagegen zu tun.“

Mit diesem Auftrag gehen wir voran. Ich habe für mich selbst bemerkt, dass die Veränderung wesentliche Vorteile bringt. Für mich sind es vor allem die höhere persönliche Zufriedenheit, wenn man aktiv statt reaktiv ist. Und ja, mittlerweile haben sich die Aktionen auch schon monetär gerechnet. Vor allem möchte ich aber nicht als Mitglied der dümmsten Generation in die Geschichte eingehen, sondern unseren Lebensraum auf diesem wunderbaren Planeten erhalten. Der Planet braucht uns nicht, aber wir ihn.

Wie steht es mit Ihrer Motivation rund um die Klimakrise? Sind Ihnen an der ein oder anderen Stelle die oben angeführten Hindernisse (zB symbolische Handlungen, Gewohnheiten, menschliche Einflussfaktoren) begegnet und was haben Sie dagegen unternommen? Ich freue mich auf Ihre Nachricht!

Herzliche Grüße
Marlene Buchinger

Veränderung. Denken. Können.
#RestartThinking

Quellen:

  1. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung über Kippelemente im Klima
  2. Stockholm Resilience Center über planetare Grenzen (planetary boundaries)
  3. Für vertiefende Informationen zum Thema Klimapsychologie empfehle ich Ihnen das Buch „Warum machen wir es nicht einfach“ von Isabella Uhl-Hädicke, Umweltpsychologiin und Expertin im Beirat des österreichischen Klimarates.