Wie man dadurch die eigene Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel setzt
Aktuell wird viel darüber diskutiert, warum Europa und hier insbesondere Länder wie Deutschland und Österreich an Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität einbüßen. Reflexartig werden dafür grüne Parteien und Aktivist:innen aus der Klimabewegung verantwortlich gemacht. Man sehnt sich nach dem Gestern und merkt dabei nicht, dass genau das das Problem ist. Willkommen in der Welt der #GesternKleber.
Insbesondere Robert Habeck muss in seiner Funktion als amtierender deutscher Wirtschaftsminister derzeit viel einstecken. Ähnlich geht es der österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler. Die Vorwürfe, die primär von neoliberaler und konservativer Seite kommen, sind immer gleich. Grüne Ideologie würde das Land zugrunde richten und die Wirtschaft würde kollabieren, wenn man weiter zu viel Klimaschutz in den Vordergrund stellt und nicht „technologieoffen“ sei.
Alle notwendigen Veränderungen sind sofort irgendwas mit Sozialismus und Planwirtschaft sowie das Ende des Wohlstands und der Freiheit. Aber genau dieses Verhalten zeigt deutlich, wie wenig Argumente diese Kreise haben und dass es ihnen eher um ihren Egoismus geht als um Freiheit und Verantwortung. Klimaschutz ist ja schön und gut, aber man soll bloß nichts davon merken.
Falsche Schuldzuweisungen
Eigentlich wissen wir seit Jahrzehnten, was zu tun ist. Aber statt zu handeln, wurde immer alles auf die lange Bank geschoben. Das Alte wird um jeden Preis krampfhaft am Leben erhalten, weil Wenige damit zulasten Vieler noch immer gute Profite machen. Außerdem gibt es sehr viele Menschen, denen Veränderung einfach zuwider ist – alles soll so bleiben wie es ist, auch wenn der Zustand zu unser aller Nachteil ist. Das verhindert insbesondere dann Fortschritt und Weiterentwicklung, wenn diese Menschen in Führungspositionen sitzen. Dann hat deren Ignoranz und Unfähigkeit, Neues zu entwickeln, starke Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft.
Aber wer hat den Großteil der Zeit in den letzten Jahren regiert? In Deutschland war die Union aus CDU und CSU unter Angela Merkel 16 Jahre an der Macht. In Österreich gibt es seit Jahrzehnten keine Regierung mehr, an der die ÖVP nicht beteiligt ist. Es sind also genau jede Kreise, die aktuell am meisten austeilen. Die Adressaten ihrer meist unsachlichen Kritik sind grüne Parteien und Klimaaktivist:innen, auch wenn diese Leute seit Jahrzehnten keine bis kaum Regierungsverantwortung innehatten.
Früher war alles besser: E-Fuels
Das Problem des Klebens am Gestern wird momentan beim Thema E-Fuels besonders deutlich. Trotz eindeutiger Faktenlage soll die alte Verbrennertechnik mittels der Mogelpackung E-Fuels weiter am Leben erhalten werden. In Deutschland ist es nicht nur die CDU und CSU, die diesen Fehler begeht, sondern auch die meist durch Wissenschaftsaversion auffallende Regierungspartei FDP. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer spricht von einer „Auto-Nation Österreich“, die weiter zum Verbrenner stehen werde.
Nachdem die deutsche Regierung das längst ausgehandelte EU-Gesetz zum Verbot von PKW-Neuzulassungen mit Treibhausgasemissionen ab 2035 wesentlich boykottiert hat, ist letzte Woche ein fauler Kompromiss rausgekommen. Damit soll die Neuzulassung von PKW mit Verbrennungsantrieb erlaubt sein, wenn diese ausschließlich „klimaneutralen“ Treibstoff tanken. Die Gesternkleber feiern das als Erfolg. Sie verstehen aber nicht, dass sie damit genau das tun, was sie Grünen und der Klimabewegung ständig vorwerfen. Sie zerstören die Wettbewerbsfähigkeit Europas und hier insbesondere die von Deutschland und Österreich.
Die Ignoranz von heute sind die Kosten von morgen
Die Folge dieser faktenaversen Entscheidungen kommen mittelfristig die Gesellschaft teuer zu stehen. Denn der Verbrenner im PKW-Bereich ist längst tot, das Sterben dauert nur relativ lange. Was sind die Konsequenzen?
- Es wird den Menschen suggeriert, sie müssten sich bei der Auswahl des Antriebs auch längerfristig nicht verändern. Damit wird der Bestand an Verbrennern noch immer hoch bleiben anstatt in den nächsten zehn Jahren zu verschwinden, was zur Bekämpfung der Klimakrise dringend notwendig ist.
- Die Kosten für den Betrieb werden massiv steigen. Sowohl die bisherigen fossilen Kraftstoffe werden nicht mehr so billig, wie sie mal waren. Und die angeblich so klimaschonenden E-Fuels werden noch viel teurer, weil deren Verfügbarkeit in der immer gering bleiben wird und die Herstellkosten enorm sind. Es ist daher davon auszugehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Befürworter dieser veralteten Technik, die sich sonst gerne gegen staatliche Subventionen stellen, Tankrabatte oder andere Subventionen für die Menschen fordern werden, die sich aufgrund ihrer eigenen Ignoranz haben falsch leiten lassen. Der deutsche Finanzminister Lindner ist bereits zwei Tage nach dem Kuhhandel auf EU-Ebene an die Medien gegangen und von einer Steuersenkung für E-Fuels-Fahrzeuge gesprochen.
- Energie ist knapp und wird es auch bleiben. Wir haben diesen Umstand nur ständig ignoriert und den Preis zahlen heute die armen Menschen der Weltbevölkerung, die am wenigsten für die Klimakrise können. Menschen in der Ukraine kämpfen gegen einen Angriffskrieg eines größenwahnsinnigen Diktators, den auch unsere vermeintlich billige Energie mitfinanziert hat. Und auch wenn das planetare System mehr als genug Energie durch Sonne, Wind und Wasser bereitstellt, braucht es immer Ressourcen und Energie, um diese nutzbar zu machen. Und diese werden nie in dem Überfluss vorhanden sein. E-Fuels brauchen aber 5-7-mal so viel Energie verglichen mit einem batterieelektrischen Antrieb. Da ein knappes Gut teuer ist, wird dieses nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und wenn, wird der Preis hoch sein. Eine Kostenspirale ist die Folge.
- Die Tatsache, dass die überholte Verbrennertechnik weiter am Leben erhalten wird, führt zu weit weniger Innovation und Investitionen in Technologien, die wirklich zukunftsfähig sind. Das sind beispielsweise Speichertechnologien, Vernetzung, effizientere Elektromotoren oder neue, innovative Ladevorgänge. Ebenso sind völlig neue Mobilitätskonzepte notwendig, bei denen das Stehzeug Auto – das extrem teuer und inneffizient ist – keine Rolle mehr spielt. Andere Regionen der Welt haben mit diesen Innovationen längst begonnen, während wir in Europa noch immer über eine Steinzeittechnik reden.
Innovation braucht Rahmenbedingungen
Die Anhänger der alten Technik verstehen sich als offen für alle möglichen Technologien – die ihnen gefallen. Da der Begriff „technologieoffen“ mittlerweile nicht mehr ganz so positiv klingt, sprechen sie nun gerne von „technologieneutral“. Es ist aber letztlich egal, wie sie ihre Ignoranz und Verweigerungshaltung versuchen, schön zu umschreiben.
Es bleibt am Ende eine Technologiebewahrung, die Innovation verhindert. Das Problem gibt es aktuell nicht nur beim Thema E-Fuels, sondern auch beim Boykott eines Verbots von Neuinstallationen von Öl- und Gasheizungen ab 2024 in Deutschland. Diejenigen, die gegen Robert Habeck und dieses Vorgehen wettern, sehen es als sinnlose Verbotsorgie. Dabei sind derartige Verbote an den richtigen Stellen essentiell, um eine Entscheidungssicherheit herzustellen. FCKW-Kühlschränke sind durch Verbote verschwunden. Auch der geregelte 3-Wege Katalysator im Verbrennungsmotor wurde erst wegen strengerer Abgasvorschriften flächendeckend umgesetzt.
Es bleibt am Ende eine Technologiebewahrung, die Innovation verhindert.
Dr. Mario Buchinger
Gute Rahmenbedingungen entstehen durch einen Mix aus Anreizen und Verboten. Diese Leitplanken geben Kunsument:innen und Entscheider:innen in der Wirtschaft Planungssicherheit. Der so genannte Markt ist allein nicht dazu in der Lage, zielführend die richtigen Entscheidungen zu treffen. Gerade das Auto mit Verbrennerantrieb ist ein sehr gutes Beispiel, wie schlecht der Markt entschieden hat. Dieses Mobilitätskonzept konnte sich nur deswegen etablieren, weil einerseits einflussreiche Leute in der Wirtschaft Konsument:innen keine Wahl gelassen haben und die meisten Kosten dieser Mobilität externalisiert wurden. Damit bezahlen alle Menschen die Folgeschäden, auch die, die das Auto nicht nutzen.
#GesternKleber vernichten Wettbewerbsfähigkeit
Nur weil man in einem Bereich mal etwas richtig gut konnte, bedeutet es keineswegs, dass diese Kompetenz auch in der Zukunft eine Relevanz hat. Ist man nicht in der Lage, das Bekannte, bei dem man sich wohl fühlt, zu verändern und teilweise aufzugeben, wird man von der eigenen Ignoranz eingeholt. Beispiele dafür gibt es reichlich: Kodak, Nokia, Agfa, die Schweizer Uhrenindustrie.
Nach Abschluss des faulen E-Fuels Kompromisses auf EU-Ebene wurde der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP mit folgenden Worten zitiert:
„Deutschland baut die besten Verbrenner der Welt. Deswegen ist es fahrlässig, die Weiterentwicklung dieser Technik jetzt zu beenden.“
In diesem Satz ist das Fiasko der Ignoranz bestens zu sehen. Deutschland hat auch mal die besten Röhrenfernseher der Welt gebaut. Aber wen interessiert das heute noch?
Herzliche Grüße
Mario Buchinger
Veränderung. Denken. Können.
#RestartThinking
Wenn Sie Fragen zum Thema Veränderungsfähigkeit in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Organisation haben, dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht.