Lieber Leser:innen, ich hoffe Sie hatten einen schönen Sommer. Wir wollten eigentlich auch etwas leiser treten und haben auch die ein und andere Bergtour geschafft. Allerdings hat uns das Thema Energiekrise beschäftigt und zwei Projekte für erneuerbare Energieanlagen standen an.
Scheinbar „einfache“ Lösungen
Nach vielen Jahren im Bereich der erneuerbaren Energien ist mir oftmals Folgendes untergekommen: Genauso wie im Bereich Prozessverbesserung und Veränderungsfähigkeit tendieren auch hier Menschen zu einfachen Lösungen.
In der Praxis bedeutet das: Man braucht Wärme für ein Privatgebäude oder ein Unternehmen, ergo baut man eine Gasheizung ein. Schnell angeschlossen, wenig Kostenaufwand bei der Installation, wenig Papierkram, fertig. Eine scheinbar einfache und schnelle Lösung, die 100 % der Probleme löst.
Dabei wurde etwas vergessen
Dass die Konsequenzen der Energiebereitstellung große Auswirkungen haben, sollte eigentlich seit Jahren bekannt sein. Die Umweltschäden durch die Aufsuchung und den Abbau bzw. die Förderung sowie die Auswirkungen des CO2-Ausstoß auf die Klimaerwärmung wurden dabei schlichtweg nicht berücksichtigt. Das hätte man wissen können. Vielleicht wussten es viele auch, haben es aber negiert, da man keinen angemessenen Preis für die verursachten Schäden bezahlen muss. Die CO2-Steuer in der Höhe von derzeit 30 Euro/Tonne CO2 ist hierbei zu vernachlässigen, denn die tatsächlichen Schäden sind mit etwa 3.000 Dollar/Tonne wesentlich höher.
Veränderungsanreize
Das bringt mich zum nächsten Thema. Warum geht jetzt plötzlich beim Umstieg auf erneuerbare Energien etwas weiter? Weil nicht mehr nur Sinnhaftigkeit und vorausschauendes Handeln im Mittelpunkt stehen, sondern konkret monetäre Aspekte getriggert werden. Damit lassen sich wesentlich mehr Menschen zu Veränderungen bewegen.
Aus der Verhaltenspsychologie weiß man, dass nur etwa 10 bis 20 % der Menschen zu freiwilligen Verbesserungen selbst in der Lage sind (intrinsische Motivation). Etwa 60 bis 70 % der Menschen können das unter Anleitung bzw. durch Druck (zB gesetzliche Vorgaben, sozialer Gruppenzwang, monetäre Auswirkungen). Bei den restlichen 10 bis 20 % ist das leider nicht der Fall. Egal wie sinnvoll die Veränderung wäre, diese Menschen sind nicht erreichbar. Das konnte man auch bereits gut in der Covid-19-Pandemie erkennen und beim Thema Klimakrise setzt sich diese Sturheit in all ihren Ausprägungen (Leugnung, Lügen, Diffamierung von Wissenschaftler:innen bis hin zur Gewalt) leider fort.
Warum musste es soweit kommen?
Wie bereits beschrieben sind der Schutz unseres Lebensraumes jetzt und für kommende Generationen für viele zwar wichtig, allerdings nicht so sehr, um wirklich Geld für Investitionen in die Hand zu nehmen. Dazu brauchte es erst einen Angriffskrieg in Europa und hohe Preise von fossilen Energien.
Wie geht es jetzt weiter?
Dementsprechend ist die Nachfrage nach erneuerbaren Energiekonzepten derzeit irrsinnig hoch und die Verfügbarkeit von Unternehmen in diesem Bereich beschränkt. Etwa sind die Bohrfirmen für Geothermie in den nächsten 9 bis 12 Monaten ausgebucht, Fachplaner:innen sind Mangelware, bei Energiespeichern sieht es ähnlich aus. PV-Module und Wechselrichter sind je nach Anforderung mehr oder weniger verfügbar, dafür sind die Monteur:innen zu wenige.
Bei Heizlösungen sieht es ähnlich aus. Wärmepumpen (egal ob Luft-Wärme oder Geothermie) sind in den nächsten Monaten nicht zu bekommen, bei den Pellets- und Holzöfen sieht es ähnlich aus. Die Preise für Holz erreichen schwindelerregende Höhen (von teilweise über 200 Euro/Festmeter) obwohl die Mengen an Schadholz durch Stürme und Borkenkäufer überdimensional hoch sind. Zudem sind Pellets in gewissen Regionen nicht mehr zu bekommen.
Wer bisher bereits auf erneuerbare Energieanlagen gesetzt und sein Haus oder sein Unternehmen entsprechend ausgerüstet hat, kann dem bevorstehenden Herbst und Winter gelassen entgegensehen. Für alle anderen gilt, jetzt nicht die Nerven zu verlieren. Die Zeit kann genutzt werden, um entsprechend zu planen und die notwendigen Schritte für die Zukunft zu setzen.
Die Planung von erneuerbaren Energieanlagen
Wie eingangs erwähnt, mögen wir alle einfache Lösungen. Aufgrund der großen Möglichkeit bei erneuerbaren Energielösungen sind die Anwendungen auch sehr vielfältig. Quasi, Fluch und Segen in einem. Ein Beispiel aus dem privaten Bereich:
Mit Gas können Sie Wärme für Heizung und Brauchwasser erzeugen, das war’s im kleinen Maßstab dann allerdings schon. Denn eine Anlage mit Kraft-Wärmekopplung zur Wärme- und Stromerzeugung ist im Haushaltsbereich meist nicht effizient. Zudem benötigen Sie dafür in den meisten Fällen auch noch immer fossiles Gas.
Mit einer Photovolatik-Anlage können Sie Strom für den Haushalt bereitstellen, Wärme für Heizung und Brauchwasser erzeugen und für ein Elektroauto Energie für die Mobilität herstellen. In solchen Fällen spricht man von Sektorkopplung (mit einer Anwendung können mehrere Sektoren abgedeckt werden).
Energie-Sudoku
Genau das macht die erneuerbaren Energieanlagen so spannend! Die verschiedenen Möglichkeiten der Anwendung und deren Kombination machen Systeme maßgeschneidert und wirkungsvoll. Allerdings schreckt das auch viele ab, denn es widerspricht dem Prinzip „scheinbar einfach“. Wie geht man also bei der Planung von erneuerbaren Energieanlagen vor?
Zuerst geht es um die Anforderungen:
- Welche Energiearten werden gebraucht? Strom, Wärme (Hoch- oder Niedertemperatur), Kühlenergie, Prozessenergie, Mobilität, in Unternehmen auch bestimmte Anwendungen wie Druckluft, etc.
- Welche Mengen werden benötigt?
- Wann muss diese Energie bereitgestellt werden?
- Wie ist der derzeitige Bedarf und sind Veränderungen in der Zukunft zu erwarten? Dann sollte das gleich bei der Planung berücksichtigt werden.
Und an dieser Stelle hören viele zu denken auf, denn der Aufwand ist scheinbar zu groß. Aber wir wollen als mündige Bürger:innen wahrgenommen werden, also müssen wir uns mit den ein oder anderen Fragen beschäftigen.
Anschließend werden die Möglichkeiten betrachtet:
- Wie viel Fläche ist vorhanden? Das ist vor allem bei Photovoltaik und evtl. Geothermie der einschränkende Faktor.
- Gibt es weitere Restriktionen? Dachlasten bei vorhandenen Gebäuden oder Verschattung durch Bäume, Schornsteine oder Dachaufbauten sind beispielsweise zu berücksichtigen.
- Gibt es bauliche Auflagen, die bedacht werden müssen? In Tirol sind beispielsweise bestimmte Größen und Aufstellungswinkel von PV- und Solarthermie-Anlagen geregelt und entsprechend genehmigungspflichtig.
- Gibt es weitere Auflagen, die das Vorhaben einschränken? In diesem Fall sind oft die Vorgaben des Stromnetzbetreibers zu nennen. Geothermieanlage sind anzeige- bzw. genehmigungspflichtig. Bei Luft-Wärme-Anlagen können auch Grenzen für Lärmemissionen Auswirkungen haben.
- Gibt es finanzielle Einschränkungen oder Erwartungen?
Aus diesem Mix wird dann die passende Strategie entwickelt:
- Vor allem sollte zu Beginn auch die Frage der Effizienz betrachtet werden: Kann vorher noch irgendetwas verbessert und eingespart werden? Wären zum Beispiel Wärmerückgewinnungssysteme sinnvoll und können implementiert werden? Dann muss im nächsten Schritt weniger Energie erzeugt werden.
- Anschließend kommt es vor allem auf die kluge Kombination an, denn wie bereits erwähnt sind erneuerbare Energieanlagen sehr vielseitig und entsprechend je nach Bedarf kombinierbar.
- Die Möglichkeiten von Speichertechnologien (Batterien, Wasserspeicher, Boden- oder Betonkernaktivierung, Eisspeicher, Schwungrad) ergänzen dazu das Angebot und steigern die Attraktivität des Angebots.
Ja, aber…
An dieser Stelle kommt immer gerne ein Totschlagargument: Die erneuerbare Energieanlagen können den Bedarf nicht zu 100 % decken. Das ist eventuell im Ist-Zustand richtig, muss aber nicht so bleiben. Aber anstelle immer 100 % von anderen abhängig zu sein, können Sie mit den erneuerbaren Anlagen selbst viel des eigenen Bedarfs abdecken und überhaupt mal unabhängig werden.
Weitere Vorteile
Allerdings leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilität, denn der Strombedarf wird gleich auf der jeweiligen Netzebene (in den meisten Fällen niedere oder mittlere Netzebene) geregelt. Zudem können die Anlagen vor allem auch Lastspitzen abdecken. Besonders bei Unternehmen mit hohen Spitzenlasten bringen sinnvoll arrangierte Erzeugungs- und Speicherkonzepte viel monetäres Einsparungspotential mit sich und entlasten gleichzeitig das Stromnetz. Wenn aufgrund von Netzrestriktionen sogar Anlagen in Unternehmen bei Lastspitzen abgeschaltet werden müssen, trägt dies zur Prozessverbesserung bei und schont die jeweiligen Maschinen, die sonst kurzfristig vom Netz genommen werden müssen.
Mit den immer besseren Möglichkeiten der Speicherung gewinnt auch das Thema Netzstabilität. Sollten endlich die Speicher von E-Autos für bidirektionales Laden (Laden des Akkus und Entnahme der dort gespeicherten Energie, Vehicle To Grid – V2G) freigegeben werden, stehen mit einem Schlag große Speicherkapazitäten zur Verfügung. Technisch gesehen ist das heute schon kein Thema, momentan zieren sich die Auto-Hersteller noch wegen möglicher Garantieansprüche bei der Batteriehaltbarkeit. Da die Entnahmeleistungen der Batterien durch etwa einen Haushalt viel geringer sind (in den meisten Fällen max. 10 kW) als wenn das Auto auf der Autobahn beschleunigt (bei Tesla über 150 kW) dürfte das Argument der übermäßigen Beanspruchung durch bidirektionales Laden nicht wirklich greifen.
Die Zeit der billigen Energie ist vorbei
Apropos monetär: Die Zeit der billigen Energie ist vorbei. Alles was wir selbst erzeugen können, muss nicht von irgendwelchen autoritären Staaten importiert werden und bleibt in der lokalen Wirtschaft. Erneuerbare Energieanlagen rechnen sich nach wenigen Jahren und bringen während der restlichen Nutzungsphase ihren Eigentümern sogar Geld. Versuchen Sie das mal mit einer Gasheizung.
Ich erlebe in den Diskussionen oft seltsame Mythen über die Rentabilität und bin verwundert, denn niemand fragt beispielsweise wann sich ein normales Dach – egal ob auf einem Haus oder einem Betriebsgebäude – rechnet. Unsere PV-Anlage hat sich in ein paar Jahren amortisiert und produziert über die restliche Laufzeit Gratis-Strom. Bei den derzeitigen Energiepreisen rechnen sich die Anlagen umso schneller.
Zudem sind die Möglichkeiten von Investitionsförderungen zu beachten. Es gibt viele Angebote von einmaligen Investzuschüssen bis hin zu fixen oder variablen Einspeisetarifen für die Energieproduktion. Die Förderstellen sind auf Bundesebene bis hin zu Gemeindeebene zu finden.
Als Unternehmen kann zudem die Umsatzsteuer abgezogen und Abschreibung geltend gemacht werden, wodurch die Attraktivität erneuerbarer Energieanlagen weiter steigt. Und derzeit bringen solche Anlagen noch eine positive Marketingwirkung. Ich prophezeie, dass das in einigen Jahren normal sein wird und sich Unternehmen rechtfertigen werden müssen, wenn sie keine entsprechenden Anlagen errichten.
Fazit
Scheinbar einfache Lösungen waren und sind verführerisch für viele. Aber dann darf man sich später nicht wundern. Erneuerbare Energieanlagen erfordern „Selber Denken“ belohnen aber mit passgenauen technischen Lösungen, die langfristig sinnvoll und monetär attraktiv sind.
Bei Fragen zu diesen Anwendungen freue ich mich auf Ihre Nachricht!
Herzliche Grüße
Marlene Buchinger
Veränderung. Denken. Können.
#RestartThinking