Die Autowelt steht Kopf: Letzte Woche hat Audi das „Aus“ für den Verbrennungsmotor verkündet. Andere hoffen auf die E-Fuels als Rettung für den Verbrennungsmotor. Wiederum neue Anbieter im Markt gehen komplett eigene Wege. Kommen Sie in diesem Blogbeitrag mit auf eine Reise der Veränderungsfähigkeit und erfahren Sie welche Strömungen sich gerade in der automobilen Welt herauskristallisieren.
Das Aus für den Verbrennungsmotor?
Ab 2026 sollen bei Audi keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickelt werden. Ich finde die Ankündigung gut – sie ist allerdings nicht wirklich überraschend. Denn der VW-Konzern, zu dem Audi gehört, hat sich schon zuvor zur E-Mobilität bekannt. Zudem hat Audi mit den ganzen spritdurstigen Modellen (z.B. A6, A8, die Q-Reihe) Probleme die CO2-Grenzwerte zu erfüllen. Außerdem haben neue Anbieter, wie Tesla, im Premium-Segment bereits Kunden abspenstig gemacht. Der Slogan „Vorsprung durch Technik“ lässt sich in der „alten“ Automobilwelt schwer verwirklichen, daher steht der deutsche Autokonzern unter Druck. Wann allerdings der letzte Audi mit Verbrennungsmotor vom Band rollt, ist noch nicht fix.
Begeisterung durch Kundenorientierung: NIO
Der krasse Gegensatz zu Audi ist der neue chinesische E-Auto-Hersteller NIO, der zwar als Produkt das Fahrzeug hat, aber komplett andere Wege geht. Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit an einer spannenden Präsentation von NIO teilzunehmen. Deren Europa-Manager Hui Zhang berichtete über die Ideen des chinesischen Unternehmens, die sehr große Ähnlichkeiten mit Tesla aufweisen – mit einem Unterschied. Die Kundenorientierung scheint mir bei NIO noch weiter im Fokus zu stehen. Aber dazu später mehr. Was können die Fahrzeuge:
- Im Portfolio sind derzeit drei Fahrzeuge, die mit dem Audi Q8 und Q5 sowie einer Mischung aus Tesla S und Tesla 3 vergleichbar sind. Über die Sinnhaftigkeit von riesigen SUVs müssen wir nicht reden, aber das Design ist soweit gelungen. Bis dato wurden in China gesamt 110.000 Einheiten verkauft. Heuer soll auch der Verkaufsstart in Norwegen erfolgen.
- NIO war nach Tesla der zweite Anbieter weltweit der FOTA (Firmware over the air) anbietet. Dabei handelt es sich um Updates, die sich selbst über eine Funkverbindung installieren, ohne dass das Fahrzeug dafür in die Werkstatt muss. Das ist bei jedem Handy Standard, aber die meisten Fahrzeughersteller können dieses Konzept noch immer nicht umsetzen.
- Assistenzsysteme analog dem Tesla Autopilot sind verfügbar. Über deren Fahrtauglichkeit kann ich nichts sagen, aber bis dato haben die Fahrzeuge bereits über 100 Millionen Kilometer Erfahrung gesammelt.
- Für mich ist das zwar kein Mehrwert, aber viele werden es lieben: NIO hat ein eigenes Sprachassistenzsystem namens „NOMI„. Das ist ein animierter Smiley, der kommuniziert, bei der Navigation behilflich ist, Musik spielt oder auch Selfie-Fotos macht.
Weitere Details
- Die zu einem Elektroauto passende Infrastruktur als Verkaufsargument ist schon von Tesla bekannt. Daher hat NIO bereits über 280 Supercharger in China in Betrieb und bietet Ladetechnik für unterwegs und zuhause an.
- Das „Battery Upgrade“ kennt man auch schon von Tesla. Dabei kann man sich eine größere Batteriekapazität, etwa für Urlaubsreisen, gegen Gebühr „freischalten“ lassen.
- Im Vertrieb hat man das Tesla-Konzept übernommen und baut eigene Verkaufs- und Servicezentren (inkl. Auslieferzentren) auf. Damit vermeidet man die Importeur- und Händlerstruktur wie bei anderen Autoherstellern. Zudem soll es mobile Teams geben, die Services für Fahrzeuge anbieten.
- Auch bei NIO hat man verstanden, dass die Kompetenz für die komplette IT und Cybersicherheit, sowie die Batterieentwicklung und das Batteriemanagement im Haus erfolgen muss um schnellstmöglich Änderungen voran bringen zu können. Das ist ein krasser Gegensatz zu den deutschen Herstellern, die etwa 80 bis 100 Steuergeräte derzeit in Einklang bringen müssen.
Ein kleiner Unterschied zu Tesla
Ein Unterschied zu Tesla ist allerdings ist der Battery Swap im Rahmen des BaaS – kurz für Battery as a Service. Tesla hat an dem Konzept des Batterietauschs zwar getüffelt, es aber nicht in die Fläche gebracht. Bei NIO kann man an speziellen Stationen vollautomatisch in drei Minuten eine leere gegen eine geladene Batterie eintauschen. Im folgenden Video sehen Sie, wie das funktionieren kann.
Wo liegen die großen Unterschiede von NIO zu Tesla?
Klar, hat die Tesla-Community eine große Anziehungskraft, aber das Kundenerlebnis soll bei NIO mit folgenden Maßnahmen besser umgesetzt werden:
- Neben den Showrooms (NIO Space) in Shopping Centern oder Einkaufsstraßen gibt es das NIO House – das sowohl Verkaufsraum als auch Treffpunkt für die „NIO-Community“ sein soll. Diese Gebäude sind exklusiv für Mitglieder und sollen ein Platz zum Wohlfühlen sein. Dort gibt es etwas Räume um sich mit Freunden zu treffen, man kann einen Kochkurs belegen, findet eine Bibliothek oder es gibt kostenlose Kinderbetreuung. Das ist ein spannendes Konzept, dass sich definitiv von Tesla unterscheidet.
- Die Idee der Kundenbindung wird außerdem auch mit der NIO App erzeugt. Auch ohne das Fahrzeug zu besitzen, kann die App benutzt werden und wurde bereits millionenfach heruntergeladen. Auch hier findet man die Idee der Vernetzung. Denn neben Infos über das Auto und die Services, die eigenen Autodaten (falls vorhanden), diversen Überraschungen (wie Videos), gibt es eine Chatfunktion um sich mit anderen auszutauschen.
- Zudem betreibt der chinesische Hersteller mit NIO Radio einen eigenen Vertriebskanal um Inhalte an Interessierte zu bringen.
- Zudem gibt es Events, wie Produktpräsentationen, Abenteuer-Urlaube für Kunden oder Informationsveranstaltungen um die eigene Botschaft zu vermitteln.
- Besonders spannend finde ich die Idee „NIO Life„. Dazu gibt es diverse Kooperationen mit Bars, Restaurants oder Herstellern von Lifestyle-Artikeln, wie Einrichtungsgegenständen, Koffern oder Sportartikeln. Millionen NIO Life Produkte wurden bereits verkauft. So geht Kundenbindung!
Also alles in allem ist das Konzept sehr kundenorientiert und durchdacht. Wie sich das ganze in Europa durchsetzen wird, wird man sehen. Aber auch Tesla wurde zu Beginn belächelt.
Fehler: Die Konkurrenz nicht ernst nehmen
Am Ende des Vortrages wurde der chinesische Redner allen Ernstes von einem Deutschen gefragt, warum er glaube, dass europäische Kunden ein chinesisches Produkt kaufen würden, von dem man in Europa glaube, es sei nicht so hochwertig.
Erstens einmal ist das gegenüber dem Gastredner unerhört und unhöflich. Und zweitens kommt mir diese deutsche Überheblichkeit bekannt vor, denn das wurde über Tesla und Jahrzehnte vorher auch über japanische Hersteller wie Toyota oder Nissan behauptet. Die bereits erwähnte Kundenorientierung ist für viele in Europa ungewöhnlich. Wer schon einem bei einem der sogenannten „Premium-Hersteller“ auf eine kulante Lösung gehofft hat, weiß was ich meine. Ich bin gespannt auf NIO und freue mich, wenn neue Hersteller den Markt aufmischen und mehr Kundenorientierung bieten.
Da sich die Automobilwelt derzeit rasch verändert, klammern sich viele in Deutschland und Österreich als Notlösung an ein Thema:
E-Fuels – die letzte Hoffnung
Im Magazin des ÖAMTC (Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touringclub) war im Mai 2021 dazu ein Satz zu lesen, der mich zum Schmunzeln brachte:
„Dabei ist gar nicht der Verbrennungsmotor oder sein Arbeitsprinzip das Problem. Sondern der fossile Kraftstoff, der zum Antrieb des Motors verwendet wird.“
Peter Pisecker, Auto Touring, Mai 2021, S. 12
Wenn man folglich diesen fossilen Kraftstoff durch synthetische Kraftstoffe, die sogenannten E-Fuels, ersetzt, dann sei das Problem gelöst und der Verbrennungsmotor ist gerettet.
Dem widerspreche ich hiermit ganz klar und habe das auch in einem Leserbrief an das ÖAMTC-Magazin klar gemacht. Wie bereits im Artikel Wasserstoff als Zukunftshoffnung – Teil 2 erklärt, sind E-Fuels im KFZ-Bereich nur eine Luftnummer.
Es ist wichtig zu sehen: Um E-Fuels herzustellen, muss man zuerst unter massiven Energieaufwand Wasserstoff herstellen. Dieser Wasserstoff wird anschließend unter weiterer Energiezugabe im Fischer-Tropsch-Verfahren zuerst verdichtet und anschließend mit Kohlendioxid (CO2) verflüssigt. Damit erhält man dann etwa synthetischen Diesel (E-Diesel).
Weitere Varianten um verschiedene E-Fuels herzustellen, zeigt die folgende Grafik:
E-Fuels – Mehr als 80 % Verschwendung
Allen E-Fuels ist aber gemeinsam, dass sie sehr energieintensiv hergestellt werden müssen. Wird der E-Fuel dann in einem Verbrennungsmotor mit etwa 25 % bis 30 % Effizienz verbrannt, kommt man auf einen Gesamtwirkungsgrad von 12 bis 20 %. Aber nur wenn der Strom für die Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Quellen stammt. Wird der Wasserstoff aus Erdgas hergestellt, fällt die Rechnung noch schlechter aus.
Eine Analogie zu den E-Fuels:
In jedem Betrieb wird eine solche Investition aus gutem Grund abgelehnt. In eine Maschine, die nur ein Achtel der möglichen Kapazität nutzt, würde niemand investieren.
Beim Auto wollen wir diesen schlechten Zustand weiterhin akzeptieren? Oder um bei einem einfachen Beispiel zu bleiben: Nehmen Sie die nächste Tafel Schokolade, werfen Sie mehr als 80 % weg. Dann sagen Sie: „Der Rest ist gut, den können wir ja noch essen.“
Diesbezüglich sind batteriebetriebene E-Fahrzeuge ganz klar im Vorteil. Die folgende Grafik zeigt die Effizienz von verschiedenen neuen Antriebskonzepten sehr gut.
Es ist sehr gut erkennbar, dass die Power-to-X Konzepte, sowohl bei gasförmigen als auch bei flüssigen Energieträgern, weit abgeschlagen sind. Auch wird deutlich, dass das Brennstoffzellenfahrzeug durch die zusätzliche Energieumwandlung gegenüber dem Batteriekonzept abgeschlagen ist. Also sind E-Fuels keine Rettung für den Verbrennungsmotor.
Das Aus für den Verbrennungsmotor
Ich bin der Meinung, die Veränderungen werden kommen und die, die sich damit beschäftigen und andere Wege finden, werden keine Probleme haben. Ein Beispiel dazu: In dem oben erwähnten ÖAMTC Artikel kam auch noch Hans-Werner Sinn zu Wort. Herr Sinn steht für mich für die automobile Welt von gestern und unterstreicht es mit folgender Aussage. Er meinte allen Ernstes, die Entscheidung der Automobilhersteller, die Entwicklung der Verbrennungsmotoren einzustellen, sei keine Entscheidung der Märkte sondern eine Reaktion auf die politischen Vorgaben aus Brüssel. Herr Sinn hat anscheinend übersehen, dass die chinesischen Vorgaben zu den Emissionswerten seit Jahren wesentlich schärfer als die EU-Richtlinien sind. Da die Wachstumsmärkte für Fahrzeuge in China liegen und dort Lobbyaktionen wie in Brüssel nicht so leicht möglich sind, kommen die Hersteller nicht um Veränderungen herum. Außerdem ist es naiv zu glauben, dass diese „Märkte“ stets die richtigen Entscheidungen hervorgebracht hätten.
Die Hersteller haben teilweise begriffen, dass das Ende des Verbrennungsmotors kommen wird. Am Beispiel von VW und damit auch Audi kann man das gut erkennen. Andere werden sich wahrscheinlich schwerer tun.
Fazit
Wir haben uns in gut 100 Jahren Auto an einen nicht zufriedenstellenden Zustand gewöhnt, bei dem wir mit einem Gefährt herumfahren, das giftige Flüssigkeiten braucht, welche brennen und explodieren können. Der Abbau, die Raffinierung und schlussendlich die Nutzung des Stoffes haben desaströse Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft und es werden deswegen seit Jahrzehnten Kriege geführt. Zudem wird dieser Kraftstoff nur sehr mangelhaft in Bewegung umgesetzt (maximal ein Drittel Bewegung und der Rest in Wärme). Der Begriff„ineffiziente Heizungen“ von Ökonomie-Physiker Mario Buchinger trifft es auf den Punkt.
Wenn man allerdings weiter am Bestehenden festhält und versucht mit den E-Fuels das Leiden zu verlängern, darf man sich nicht wundern, wenn andere Hersteller davonfahren.
Haben Sie Fragen oder Kommentare, dann freue ich mich auf Ihre Nachricht!
Herzliche Grüße
Marlene Buchinger