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Big Four: Nachhaltigkeit in der Falle

RestartThinking-Blog Big Four: Nachhaltigkeit in der Falle

Wer darf bestätigen, ob Unternehmen tatsächlich nachhaltig agieren oder ob in den Berichten Greenwashing betrieben wird? Die nationale CSRD Umsetzung in Deutschland bringt in dieser Frage leider jede Menge Probleme für Unternehmen. Lesen Sie mehr dazu im neuen #RestartThinking Blog.

Deutschland hat es geschafft und vor der Sommerpause das nationale Umsetzungsgesetz für die CSRD, die europäische Nachhaltigkeitsberichtspflicht, beschlossen. Die europaweite Richtlinie gilt für Unternehmen, die zwei der drei Kriterien erfüllen:

  • Mehr als 250 Mitarbeitende,
  • 50 Mio. Umsatz bzw.
  • 25 Mio. Bilanzsumme. 

Mit der CSRD gilt nun erstmalig ein einheitlicher Berichtsstandard (ESRS) um die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Unternehmen zu bewerten. Das ist die gute Nachricht, denn bis dato konnte mal den Standard frei wählen und die Vergleichbarkeit war nicht wirklich gegeben.

Wo liegt nun das deutsche Problem?

Das FDP geführte Justizministerium hat allen Ernstes die Position der Big Four weiter verfestigt. Die Big Four sind die Unternehmen Deloitte, EY, KPMG und PwC. Im deutschen Gesetzesentwurf wurden ausschließlich Wirtschaftsprüfer mit der Kontrolle und Bestätigung der Nachhaltigkeitsberichterstattung beauftragt. Dabei sind die genannten Unternehmen federführend und räumen einen Großteil der Aufträge ab. Das führt zu folgenden Konsequenzen:

  1. Ein kapazitativer Flaschenhals entsteht, denn es werden mit dem Geschäftsjahr 2025 wesentlich mehr Unternehmen berichtspflichtig. Die Berichte müssen immer innerhalb von sechs Monaten zum Bilanzstichtag erstellt werden. Da die Ergebnisse von den Wirtschaftsprüfern geprüft werden müssen, kann man sich vorstellen, dass entsprechende Engpässe bei qualifiziertem Personal vorkommen werden. Würden stattdessen neben Wirtschaftsprüfer:innen weitere qualifizierte Expert:innen die Prüfbefugnis erlangen, gebe es mehr Auswahl und mehr Verfügbarkeit.
  2. Die Erlaubnis zur Prüfung für Wirtschaftsprüfsgesellschaften allein, führt zu einem eingeschränkten Wettbewerb und dementsprechend hohen Kosten. Besonders für kleinere Unternehmen oder KMUs, welche freiwillig über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten wollen, wird das zu Kostenfalle. 

Governance in der Falle

Was mich persönlich an diesem Konstrukt in Deutschland am meisten stört, ist, dass besonders die großen Player viele Kunden beim Thema Nachhaltigkeit beraten und auch als Wirtschaftsprüfer tätig sind. Die Big Four betonen zwar mantraartig, dass das Beratungs- und Prüfgeschäft organisatorisch getrennt ist. Es bleibt aber ein fahler Geschmack.

Gerade im Nachhaltigkeitsbereich und den dafür nötigen Geschäftsprozessen (Governance) sind die Big Four in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten nicht gerade positiv aufgefallen. 

  • Das reicht von massiven Verfehlungen wie bei der Lehmann-Pleite, die von EY jahrelang geprüft wurden und denen die riesige Spekulationsblase nicht auffiel, die zu einem der größten Finanzcrashes der Welt führte.
  • Wirecard, des gehypte deutsche Unternehmen, welches erfundene Milliarden bilanzierte, wurde ebenfalls von EY geprüft. 
  • KPMG hat auch nach Beginn des russischen Angriffskrieges Beratungsleistungen getätigt, die mit den gültigen Sanktionsbestimmung nicht wirklich im Einklang stehen. Diese ZDF Dokumentation mit einem Whistle Blower ist sehenswert, macht aber auch nachdenklich. (LINK ZDF).
  • KPMG und PwC waren in die Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Diese haben die deutschen Steuerzahler:innen Milliarden Euro gekostet.
  • PwC hatte den chinesischen Immobilienriesen Evergrande, dessen Bilanzen um 75 Milliarden (!) Euro künstlich aufgebläht war, geprüft und nichts beanstandet. 
  • Deloitte hatte zum Beispiel den 2004 mit etwa 15 Milliarden Euro insolventen italienischen Konzern Parmalat jahrelang geprüft und keine Verfehlungen gefunden.

Big Four – vom Saulus zum Paulus?

Was mich an dem Konstrukt stört:

Ein weiteres wesentliches Problem in den großen Beratungsunternehmen ist das noch immer gültige „Up or out“ Mantra. Als Berater:in muss man immer weiter machen, ständig akquirieren, Tage verkaufen (auch wenn es für die Kund:innen nicht sinnvoll ist) – sonst ist man raus. Das führt oft zu sinnlosen Projekten oder Leistungen bzw. benötigt häufig mehr Zeit als eigentlich nötig. 

Kurzum, die eigentlich Haltung der beratenden und prüfenden Unternehmen und der Anspruch an Nachhaltigkeit passen nicht unbedingt zusammen. 

Gibt es eine Lösung?

Der Bundesverband Nachhaltig Wirtschaften (BNW) hatte sich, genau wie viele weitere Verbände, mehrfach für die Öffnung des Prüfmarkts stark gemacht. Damit sollten neben den Wirtschaftsprüfer:innen auch qualifizierte Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfer:innen berechtigt sein.

Der BNW und andere versuchen eine offene, parlamentarische Debatte zur CSRD nochmals anzustoßen um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Der BNW fordert die konsequente Umsetzung: „Die CSRD ist ein Meilenstein für eine transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung. Eine Verwässerung würde die Glaubwürdigkeit der deutschen Nachhaltigkeitspolitik untergraben – was gerade angesichts der Fortschreibung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie absurd wäre“, unterstreicht BNW-Geschäftsführerin Katharina Reuter.

Zukunftsfähigkeit

Ein Satz ist mir aus den BNW Unterlagen besonders in Erinnerung geblieben:

Dafür setzen auch wir uns ein.

#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können.

Herzliche Grüße
Marlene Buchinger


Marlene Buchinger, MSc.

Expertin für Klimatransformation und Nachhaltigkeit, Projektentwicklerin und Problemlöserin

Wir von Buchinger|Kuduz sind spezialisiert auf Strategie-, Prozess- und Klimatransformation. Mit mehr als 15 Jahren internationaler Erfahrung im Bereich Erneuerbare Energie stehe ich Ihnen als Sparringpartnerin zur Verfügung und analysiere beispielsweise Energiemanagementsysteme oder Treibhausgasbilanzen um Einsparungsmöglichkeiten rasch und effizient umsetzen zu können.


Exkurs: CSRD Umsetzung – Die Lage in Österreich

Österreich hätte auch bereits ein Umsetzungsgesetz zur CSRD erlassen müssen, aber mit Ende August ist kein entsprechender Beschluss zu finden. Daher steht mal wieder eine Abmahnung und schlimmstenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren der EU im Raum. Das bestehende NaDiVeg (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz) wird wohl zum NaBeG (Nachhaltigkeitsberichtsgesetz) werden. Wir werden hier im #RestartThinking Blog dazu berichten, sobald es Neuigkeiten gibt. 


Disclaimer – Offenlegung

Wir von Buchinger|Kuduz müssen leider auch unter dem Begriff Berater firmieren. Wir sehen uns als externe Unterstützer und Befähiger, damit die Menschen im Unternehmen schlussendlich die Veränderung selbst treiben können. Nachhaltigkeit ist in unserer Unternehmensvision verankert und Teil unseres täglichen Handelns, denn die Wirtschaft kann sich nicht von Umwelt und Gesellschaft abkoppeln. Sie ist immer ein Teil davon, daher haben alle Unternehmen eine entsprechende Verantwortung.

Wir setzen uns für eine nachhaltige Wirtschaft ein, daher sind wir 2024 dem Bundesverband Nachhaltig Wirtschaften (BNW) beigetreten.