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Überblick über den europäischen Emissionshandel

ETS, CBAM, CDR - EU Emissionshandel im Überblick

CBAM, CDR, EU ETS bzw. EU ETS 2: Sie verstehen nur Bahnhof? Das ist nicht schlimm. Im neuen #RestartThinking Blog werfen wir einen Blick auf den europäischen Emissionshandel. Wie sehen die derzeitigen und zukünftigen Regelungen aus? Erfahren Sie wo die Hebel liegen, wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können und wie sie die Chancen nutzen können.

Im April war ich eingeladen an der Hochschule Hannover eine Vorlesung zum Thema „Treibhausgasbilanzierung in Industrieunternehmen – Chancen und Potentiale“ zu halten. Die Teilnehmenden waren Masterstudent:innen der Vorlesungsreihe „Energieeffiziente Produktion“. 

Wie immer beginnt so eine Vorlesung mit einer kurzen Vorstellungs- und Fragerunde. Die Frage, wer von den Teilnehmenden schon mit Treibhausgasbilanzierung in Kontakt gekommen sei, war spannend. Antwort: Genau eine Person. Diese arbeitet neben dem Studium bei einem Unternehmen und ist dort in einem Wertstromabschnitt bei einem Verbesserungsprojekt involviert. Fazit: Meiner Meinung nach ist in der Wissensvermittlung in Bereich Treibhausgase noch Luft nach oben, daher freue ich mich schon auf die nächste Vorlesung.

Die Einflussgröße der Zukunft: Emissionen

Das Thema Emissionen wird nicht mehr weggehen. Erstens stoßen wir alle nach wie vor viel zu viele Emissionen aus. Konkret gesagt, etwa 37 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr, das macht knapp 100 Millionen Tonnen CO2 pro Tag (1). Und zweitens gibt nach wie vor kein Verursacherprinzip. 

Der Gewinn fossiler Industrien beträgt 3 Milliarden Dollar täglich.
Studie von Prof. Aviel Verbruggen, Bericht in The Guardian (2)

Private, Unternehmen und Staaten wurden über die Jahrzehnte abhängig gemacht und sinnvolle, kostengünstige und zukunftsfähige Alternativen behindert und diskreditiert. Vor allem wenn man die Zahlen betrachtet, zeigt sich, dass eine massive Schieflage zugunsten der fossilen, klimaschädlichen Energieträger besteht und diese zur Kostenfalle werden. Im Jahr 2021 wurde die österreichische Umweltförderung mit 151 Millionen Euro dotiert. Damit soll die Umstellung auf erneuerbare Heizsysteme, erneuerbare Energiequellen, Sanierung und Energieeffizienzprojekte voran getrieben werden (3). Es gibt noch weitere Förderinitativen, wie NEFI, New Energy for Industry, aber auch hier geht der Förderrahmen nicht über die Millionen hinaus. Gleichzeitig leistet man sich in Österreich klimaschädliche Subventionen im Umfang von 4 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr (4). In Deutschland sind es etwas 65 Milliarden Euro pro Jahr, die damit auch unseren Lebensraum schädigen (5).

Europäische Emissionsregelungen

Auf politischer Ebene wurden Gegenmaßnahmen eingeführt, die aber angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen der Klimakrise viel zu wenig bzw. gering sind. Nichtsdestotrotz sind die Regelungen zum Emissionshandel besonders auf EU Ebene zu begrüßen.

Erfahren Sie in den nächsten Abschnitten mehr über die Regelungen EU ETS, EU ETS2 und CBAM. Zudem werfen wir einen Blick auf das Carbon Removal Certification Framework (CRCF). 

EU ETS (European Emission Trading Scheme = EU Emissionshandelssystem)

Die Idee ist gut: Messen, Quantifizieren und Anreize für Unternehmen schaffen um ihre Emissionen zu senken – das soll der Emissionshandel leisten. 

Das EU ETS wurde 2005 als erstes seiner Art weltweit eingeführt. Es deckt mittlerweile etwa 40 % der EU-Emissionen ab und umfasst mehr als 11.000 Anlagen in verschiedenen Branchen, darunter Energie, Stahl und Chemie. Es handelt sich nicht um Zertifikate. Sondern Verschmutzungsrechte werden ausgegeben und diese sollen an der europäischen Energiebörse EEX (6) gehandelt werden. Im Rahmen des EU ETS erhalten Unternehmen eine begrenzte Anzahl von Emissionszertifikaten, die sie handeln können. Dies schafft einen Anreiz für Unternehmen, in sauberere Technologien zu investieren und ihre Emissionen zu reduzieren. Über Angebot und Nachfrage soll sich der Preis bilden. So die Theorie. (7)

In der Praxis zeigte sich allerdings, dass es Schlupflöcher gibt. Anlagen werden erst ab einer Leitung von 20 MW Leistung teilnahmepflichtig. Durch die Teilung von Anlagen oder entsprechende Größenfestlegungen (z.B. 19,8 MW) kann man diese Pflicht umgehen. 

Aber vor allem die Mengen der ausgegebenen Verschmutzungsrechte waren nicht angemessen. Über Jahre wurden die Verschmutzungsrechte größtenteils gratis und in viel zu großer Menge ausgegeben. Das erzeugte sogenannte „windfall profits“ (8). Denn Unternehmen verkauften die Zertifikate an der EEX weiter und machten zusätzliche Gewinne. Diese wurden allerdings nicht zum Umbau auf emissionsärmere Produktionstechniken verwendet. Laut der NGO Carbon Market Watch erzielten deutsche Unternehmen dadurch von 2008 bis 2014 4,5 Milliarden Euro an windfall profits (9).

Grundsätzlich zeigt der Emissionshandel aber Wirkung. Durch den EU ETS konnten Emissionen bis 2022 in den umfassten Sektoren um 37 % im Vergleich zu 2005 reduziert werden. Allerdings hat sich der Rückgang der Emissionen im Zeitraum 2013 bis 2021 europaweit verlangsamt (10).

Das EU ETS wurde aufgrund der genannten Probleme bereits mehrmals überarbeitet. Mittlerweile sind auch die Bereiche Luftfahrt und Schifffahrt eingeschlossen. Im letzten Jahr stieg der Preis der Verschmutzungsrechte auf knapp 100 Euro, was ein guter Indikator für einen funktionierenden Lenkungseffekt war. Das lag vor allem daran, dass durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Gaspreise ab 2022 stiegen und energieintensive Betriebe teilweise auf Kohle umstiegen. Durch die höheren Emissionen gingen auch die Preise der Emissionszertifikate hoch.

In Frühjahr 2024 stürzte der Preis auf 40-50 Euro pro Tonne ab, denn mittlerweile hat sich der Gaspreis wieder reduziert und so wird weniger Kohle verbraucht. Zudem konnten erste Erfolge beim Umbau auf emissionsärmere Energie verbucht werden. Ein wichtiger Faktor für den Preisrückgang ist auch die momentan geringere Industrieproduktion. 

Mittelfristig ist zu erwarten, dass die Emissionspreise wieder ansteigen werden. Was mit dem eingenommen Geld aus dem Emissionshandel passiert und wie Sie davon profitieren, erfahren Sie etwas weiter unten im Text.

EU ETS 2 (European Emission Trading Scheme = EU Emissionshandelssystem 2)

Ein wichtiger Schritt in Richtung Dekarbonisierung ist die Ausweitung des Emissionshandels auf weitere Sektoren, wie den Straßenverkehr und den Gebäudesektor. Dies soll ab 2027 beginnen. In diesen beiden Bereichen konnten bis dato fast keine Einsparungen erzielt werden und man erhofft sich eine Lenkungswirkung über den Preis (11).

Damit einkommensschwächere Menschen sich diesen Wandel leisten können, geht ein wesentlicher Teil der über den EU ETS vereinnamten Gelder über den Innovations- und Modernisierungsfond (12) wieder zurück an die Länder und damit an die Bevölkerung. Es werden beispielsweise Gebäudesanierungen, die Umrüstung auf Wärmepumpentechnologie oder Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel damit gefördert. 

CBAM (Cross Border Adjustment Mechanism – Grenzausgleichsmechanismus)

Bei der Bepreisung von Emissionen in energieintensiven Branchen wird häufig bemängelt, dass „Carbon Leakage“ stattfinden könnte. Der Begriff bezeichnet das Risiko, dass Unternehmen aufgrund der EU-Vorgaben ins Ausland abwandern könnten, wo weniger strenge Standards gelten (13). 

Daher wurde die CBAM-Regelung für den Emissionshandel entwickelt. Dazu werden bei Import bestimmter Produkte aus Drittstaaten deren CO2-Emissionen berücksichtigt. Entweder der ausländische Verkäufer kann genau nachweisen, wie hoch die verursachten Emissionen der Waren sind oder man muss die entsprechenden (höheren) CO2-Durchschnittswerte anwenden. Diese Werte werden mit dem aktuellen Preis an der EEX multipliziert, daraus ergibt sich dann die Höhe der Abgabe. Diese Maßnahme sorgt für vergleichbare Rahmenbedingungen und beugt dem „Carbon Leakage“ vor, damit Importe aus Ländern mit niedrigeren Umweltstandards den europäischen Produkten gleichgestellt werden (14).

In dieser #RestartThinking Fokus Folge mit Simon Göß, Geschäftsführer von carboneer, erfahren Sie, welche Produktgruppen davon betroffen sind, was bereits jetzt zu tun ist und welche Erkenntnisse sich bereits aus der ersten Berichtsrunde ergeben haben.

Achtung: 

  • CBAM betrifft alle Importe bestimmter Produktgruppen (z.B Stahl, Zement, Eisen, Wasserstoff, Aluminium und Düngemittel)
  • bereits ab einem Wert von 150 Euro.
  • Ab 01.01.2024 sind die Importe bereits zu berichten.
  • Die Bepreisung findet ab 2026 statt. 

CRCF (Carbon Removal Certification Framework)

In dem #RestartThinking Fokus Video ging es auch um CDR (=Carbon Dioxide Removal), also den Entzug von CO2 aus der Atmosphäre. Diesbezüglich gibt es verschiedene Lösungen. Am häufigsten sind naturbasierte Anwendungen, wie Aufforstung, die Wiedervernässung von Mooren, Humusaufbau im Boden oder der Schutz der Mangroven. Technische Lösungen, wie die Pyrolyse von biogenen Stoffen oder das Abscheiden bzw. Einfangen von CO2 sind wesentlich teurer und derzeit noch nicht in der Breite vorhanden (15).

Zudem gibt es keinen einheitlichen Standard wie die Emissionseinsparungen durch diese Techniken gerechnet werden können. Daher wird derzeit auf EU Ebene diese Rahmenbedingungen im CRCF entwickelt. Das schafft Sicherheit für Unternehmen und Investoren (16). 

Fazit über den Emissionshandel

Eines ist sicher: Die Themen Treibhausgasemissionen und Nachhaltigkeit gehen nicht mehr weg. Bisher war Umweltverschmutzung fast kostenfrei und es gab kein Verursacherprinzip. Auch bei der Verletzung von sozialen Standards gab es meist keine Konsequenzen. 

Europäische Unternehmen bezeichnen sich gerne selbst als Vorreiter, daher wird es Zeit der Ankündigung auch Taten folgen zu lassen. Das bedeutet einerseits die konsequente Umsetzung von Energieeinsparung und -effizienz sowie die Umstellung auf erneuerbare Energien voranzutreiben. Im Rahmen der Lieferketten werden die Sorgfaltspflicht und auch die Risikobewertung und -minimierung vom „Kann“ zum „Muss“. Das gilt auch für KMUs – selbst wenn sie jetzt noch nicht direkt betroffen sind, werden die meisten von ihnen über die Lieferkette beispielsweise Auskunft über den Treibhausgasfußabdruck geben müssen. Das ist nicht schlimm, denn in der strukturierten Erfassung steckt riesiges Potential für die rasche und kostengünstige Verminderung der Emissionen.

Die derzeitigen Regelungen im Rahmen des Emissionshandel sind ein wichtiger Schritt auf der Reise der Veränderung, denn sie geben Investitionssicherheit. Die freiwilligen Verpflichtungen der letzten Jahrzehnte zeigten keine ausreichende Wirkung. Auch wenn die Regelungen teilweise überbordend oder von der Umsetzung noch nicht ganz ausgereift sind, sind sie ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Zudem gehen andere Länder bereits ähnliche Wege. In den USA wurde im Februar 2014 ein Frachtschiff mit Autos aus dem VW Konzern festgesetzt, da die Fahrzeuge Bauteile aus chinesischen Fabriken mit Zwangsarbeit verbaut hatten (17). Zudem legt beispielsweise das amerikanische Investitionsgesetz IRA einen verpflichtenden lokalen Wertschöpfungsanteil fest um sich für gewisse Steuerersparnisse qualifizieren zu können (18). 

Aber über allem Für und Wider in punkto Emissionen und Emissionshandel steht eines:

Die Klimatransformation ist unumgänglich, denn die Klimakrise wartet nicht auf uns.

Vor kurzem erschien eine wichtige neue Berechnung des PIK – Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Die Wissenschaftler:innen konnten berechnen, dass die Schäden durch die Klimakrise bereits 2050 38 Billionen Dollar pro Jahr bzw. umgerechnet 19 % Einkommensverlust betragen werden (19). 

Die Technologien für die Umstellung auf eine lebenswerte Zukunft sind alle vorhanden. Viele Potentiale werden noch gar nicht genutzt und sind schnell umsetzbar. Wie sieht es beispielsweise mit Ihrem Energiemanagement aus? Wissen Sie, welche Energieträger in welcher Menge eingesetzt werden und wo die meisten Emissionen entstehen? Die transparente Erfassung ist ein erster Schritt in die Verbesserung. 

#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können. 

Herzliche Grüße
Marlene Buchinger

Marlene Buchinger, MSc.

Expertin für Klimatransformation und Nachhaltigkeit, Projektentwicklerin und Problemlöserin

Wir von Buchinger|Kuduz sind spezialisiert auf Strategie-, Prozess- und Klimatransformation. Mit mehr als 15 Jahren internationaler Erfahrung im Bereich Erneuerbare Energie stehe ich Ihnen als Sparringpartnerin zur Verfügung und analysiere beispielsweise Energiemanagementsysteme oder Treibhausgasbilanzen um Einsparungsmöglichkeiten rasch und effizient umsetzen zu können.

Quellen:

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37187/umfrage/der-weltweite-co2-ausstoss-seit-1751/
  2. https://www.theguardian.com/environment/2022/jul/21/revealed-oil-sectors-staggering-profits-last-50-years
  3. https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/klimaschutz/int_klimapolitik/oe_beitrag/umweltfoerderung.html
  4. https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/klimaschutz/nat_klimapolitik/kontraproduktiv.html
  5. https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/umweltschaedliche-subventionen-in-deutschland
  6. https://www.eex.com/
  7. https://climate.ec.europa.eu/eu-action/eu-emissions-trading-system-eu-ets_en
  8. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/windfall-profit-48481
  9. https://carbonmarketwatch.org/publications/policy-brief-carbon-leakage/
  10. https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/der-europaeische-emissionshandel#entwicklung-der-treibhausgas-emissionen-im-stationaren-eu-ets-
  11. https://climate.ec.europa.eu/eu-action/eu-emissions-trading-system-eu-ets/ets2-buildings-road-transport-and-additional-sectors_en#ets2-a-smooth-start
  12. https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20221212IPR64527/klimaschutz-einigung-uber-ehrgeizigeren-eu-emissionshandel-ets
  13. https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20210303STO99110/carbon-leakage-unternehmen-daran-hindern-emissionsvorschriften-zu-umgehen
  14. https://taxation-customs.ec.europa.eu/carbon-border-adjustment-mechanism_en
  15. https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/downloads/outreach/IPCC_AR6_WGIII_Factsheet_CDR.pdf
  16. https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2024/02/20/climate-action-council-and-parliament-agree-to-establish-an-eu-carbon-removals-certification-framework/
  17. https://www.spiegel.de/wirtschaft/volkswagen-tausende-autos-stecken-in-us-haefen-fest-a-d9007f72-fb40-4b55-b99a-0d5159ae2a63
  18. https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.864930.de/23-6-1.pdf
  19. https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/38-billionen-dollar-schaeden-pro-jahr-19-einkommensverlust-weltweit-durch-klimawandel