Liebe Leser:innen, eigentlich wollte ich zum Abschluss des Jahres darüber schreiben, wie man die passenden Daten für die Treibhausgasbilanz zusammenstellt und die Informationen strukturiert aufbaut. Aber das muss warten, denn mich treibt ein anderes Thema um, das ich mit Ihnen teilen möchte: Der neue „World Energy Outlook“ (1) der Internationalen Energie Agentur (IEA).
Ich war am 19. Dezember zu einer hochkarätigen Veranstaltung in Wien eingeladen. An der TU Wien wurde der neue World Energy Outlook 2022 vom Chef der Internationalen Energieagentur (IEA) Fatih Birol vorgestellt. Mein ehemaliger Professor Reinhard Haas hielt die Eröffnungsrede, dann sprach Vizekanzler Werner Kogler.
Chancen der Transformation
Herr Kogler umriss die derzeitigen Herausforderungen, die besonders im Energiebereich groß sind, da wir uns jahrzehntelang von fossilen Energieträgern aus Staaten mit despotischen Regimen abhängig gemacht haben. Andererseits erinnerte der Vizekanzler auch daran, die Chancen der Gestaltbarkeit zu sehen und die positive Veränderung voran zu treiben. Das spricht mir aus dem Herzen, denn das Motto von Buchinger|Kuduz ist Veränderung. Denken. Können.
Wir begleiten die Strategie-, Prozess- und Klima-Transformation in Organisationen. Oft sind es nicht technische oder methodisch Hürden in Projekten, sondern einfach das Problem sich Neues nicht vorstellen zu können oder nicht raus aus der Komfortzone zu wollen, auch wenn die Veränderung sogar besser wäre.
Die Chancen waren eine wunderbare Überleitung zur Rede von IEA-Chef Fatih Birol. Der freute sich wieder in Wien zu sein, denn er ist seit Jahrzehnten mit der TU Wien verbunden und kehrt immer wieder gerne in die österreichische Hauptstadt zurück. Birol machte sein Doktorat am EEG (Energy Economics Group) vor etwa 30 Jahren. Vor mittlerweile nun 10 Jahren durfte ich dort mein Masterstudium absolvieren und es ist schön, wenn es so prominente Alumni gibt.
Auswirkungen des Ukraine-Krieges
Fatih Birol begann seine Ausführungen zum World Energy Outlook mit den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Die Folgen sind besonders für Entwicklungsländer drastisch, da die hohen Energie- und Lebensmittelpreise zu einer Schuldenkrise führen. Erstmals seit Jahren zeigt sich, dass die Zahl der Menschen ohne Zugang zu Strom wieder steigt.
Lt. dem Chef der IEA verliert Russland die Energieschlacht und seine einflussreiche Rolle. Bisher werden 54 % des Öls und 75 % des Gas Russlands exportiert, vor allem nach Europa. Diese Position ist nach dem Krieg für immer verloren, denn die EU als Exportmarkt ist schwierig zu ersetzen. Zudem werden die Produktionskapazitäten der Gasfelder sinken, denn diese brauchen viel Wartung und Know-How, was oftmals von westlichen Firmen kommt und nun nicht mehr verfügbar ist.
Laut Fatih Birol zahlt Europa für seine bisherigen Fehlentscheidungen „paying for the policies, which were not best“. Es rächt sich nun, sich nur auf ein Land zu verlassen. Denn Energie wird nun als politische Waffe gegen uns eingesetzt. Auch wenn es nun zu Schwierigkeiten in Europa kommt, hält Birol die gemeinsame Antwort der EU-Staaten und die Verteidigung humanistischer Werte für wichtig.
Der World Energy Outlook zeigt positive Veränderungen
Besonders spannend war die Frage, wie sich der Ukraine-Krieg auf die Entwicklung erneuerbarer Energien auswirken wird? Die IEA sieht eine Veränderung der Denkweise. Bisher wurden erneuerbare Energien nur im Rahmen der Klimakrise gesehen. Jetzt geht es auch um deren Beitrag zur Energiesicherheit.
Daher sagt die IEA im World Energy Outlook in den nächsten fünf Jahren einen Zubau in Höhe von 2400 GW voraus, das entspricht dem Zubau der letzten 20 Jahre. Die EU war dabei bereits Vorreiter, muss allerdings aufpassen, nicht abgehängt zu werden.
Weltweite Entwicklungen
Einige Staaten der europäischen Union, waren bereits vor Jahren Vorreiter (zB. Photovoltaik-Industrie in Italien, Spanien und Deutschland). Die Staaten haben aber diesen Vorsprung wieder eingebüßt, was man vor allem in Deutschland gut sehen konnte. Fatih Birol vergleicht das Engagement mit einem Marathon, da reicht es auch nicht auf den ersten zehn Kilometern in Führung zu liegen.
Japan, China, Indien haben die Unterstützung für die erneuerbare Energien im eigenen Land verstärkt. Besonders sticht die USA hervor. Der „Inflation Reduction Act“ mit knapp 400 Milliarden für erneuerbare Energie und Energiesicherheit ist laut Fatih Birol „das stärksten Signal seit dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015“.
Das im August 2022 verabschiedete Gesetz wird große Auswirkungen in den USA haben, denn es soll u.a. in die lokale Energieproduktion mittels erneuerbaren Energien investiert werden. 386 Milliarden Dollar werden für Energieproduktion, Energieeffizienz und Klimawandelanpassungen v.a. über Investitionsprämien und Steuersubventionen investiert (2). Damit soll die lokale Wirtschaft gestärkt und gleichzeitig der CO2 Ausstoß um etwa 40 % gesenkt werden (3). Zudem ist der „Inflation Reduction Act“ ein sehr starkes Zeichen nach außen, für andere Staaten weltweit.
Vorreiterrolle
Laut IEA-Chef Birol geht es zukünftig darum, welche Länder die Führungsposition für das nächste Kapital der Industrie einnehmen werden. Statt Autos mit Verbrennungsmotor werden Techniken, wie Photovoltaik, Wind- und Bioenergie, Batterietechnologie oder Wärmepumpen massiv zulegen. „Grüne” Technologien werden die zukünftige Entwicklung von Nationen beeinflussen. Birol geht zwar vom Konzept des Wachstums aus, definiert dieses aber auch über Veränderung.
Entscheidend für die Zukunft wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Bisher ist sie auf billiger Energie aufgebaut und einige Betriebe werden diese Spannung nicht überleben. Die Energiepreise in Europa werden langfristig nicht mehr wesentlich sinken. Daher fordert Birol einen Master Plan für die Industrie um gegen die Energiekrise zu reagieren.
Freiwilligkeit reicht nicht
Im Anschluss an den Vortrag beantwortet der Experte noch diverse Fragen. Angesprochen, welche Maßnahmen nötig sind um die Veränderung einzuleiten, stellt Fatih Birol klar, dass es ohne Verpflichtung über Normen und Gesetze nicht gehen wird. Selbstverständlich führen die derzeitigen Preissignale auch zu Veränderungen. Es wäre allerdings besser, schon aus eigenem Interesse der Standortsicherung vorzubauen.
Fatih Birol fasst die notwendige Veränderung mit folgendem Satz gut zusammen:
„Renewable energy is fluctuating, but not as much as oil exporters.”
Ich finde, damit hat er absolut Recht. Wir haben Jahrzehnte lang in Energie- und Ressourcensysteme investiert, die uns in die Klimakrise geführt haben. Im Sinne der eigenen Sicherheit wird es mehr als Zeit umzudenken. Erneuerbare Energien sind schon lange konkurrenzfähig. Ressourceneffizienz ist das Gebot der Stunde und die Organisationen und Staaten, die das begriffen haben, werden in der Zukunft wesentliche Vorteile haben. Bei Fragen zu Ihrer Klima-Transformation freuen ich mich auf Ihre Nachricht!
Herzliche Grüße
Marlene Buchinger
Veränderung. Denken. Können.
#RestartThinking