Im ersten Teil des Artikels über Grünen Wasserstoff ging es um die aufwendigen Herstellweisen und unterschiedlichen „Farben“ von Wasserstoff, abgeleitet von derem Energieaufwand für die Herstellung. In diesem zweiten Teil betrachten wir die derzeitigen und zukünftigen Einsatzgebiete und die entsprechenden Bedarfsmengen. Ist Wasserstoff der Retter der Erneuerbaren Energien? Kommt die Brennstoffzelle voran? Was hat es mit Power-to-X und E-Fuels auf sich? Und könnte man auch noch das Gasnetz nutzen oder Wärme mittels Wasserstoff herstellen?
Einsatzgebiete und Bedarf
Der Status Quo – bisheriger Verbrauch
Die Internationale Energie Agentur (IEA) sah 2019 als ein Rekordjahr für Wasserstoff an, denn viele Anlagen – vor allem für Elektrolyse – wurden in Betrieb genommen, der Markt für Brennstoffzellen-Fahrzeuge hat sich verdoppelt und immer mehr Politiker haben das Thema Wasserstoff entdeckt. Nichtsdestotrotz bemängelt die IEA, dass die CO2-armen oder -freien Produktionstechnologien nicht wirklich vom Fleck kommen und weiter hinter den Erwartungen stagnieren.
Es seien wesentlich mehr Anstrengungen nötig, um verschiedene Sektoren (Fernverkehr, chemische Industrie, Stahl- und Eisenherstellung) mittels grüner und türkiser Wasserstofftechnologie emissionsärmer zu machen und Wasserstoff in neue Anwendungen zu bringen.
Zu diesen Anwendungen zählt beispielsweise die Erzeugung, Speicherung und Rückverstromung des Wasserstoffes zur Erhaltung der Netzstabilität (1).
Was bedeutet das in Zahlen ausgedrückt?
Heute werden etwa 70 Megatonnen Wasserstoff pro Jahr zu 99,3 % aus fossilen Brennstoffen (6 % des weltweiten Gas- und 2 % des weltweiten Kohlebedarfs) hergestellt. Dabei entstehen jährlich 830 Megatonnen CO2. Der produzierte Wasserstoff wird hauptsächlich in der Raffinierung (Öl, Treibstoffe, etc.) und in der Chemischen Industrie verwendet. Da der Wasserstoffanteil aus Erzeugung mittels erneuerbarer Energie oder dem Einsatz von CCS nur 0,7 % beträgt (2).
Die IEA unterscheidet außerdem zwischen dem Wasserstoff, der speziell produziert wird (70 Mt/Jahr) und dem Wasserstoff, der als Beiprodukt in anderen Prozessen entsteht. Hier sprechen wir von weiteren 48 Megatonnen H2 pro Jahr (3). In den Berechnungen und Szenarien der IEA wird immer auf die 70 Megatonnen H2 referenziert.
Heutige Wasserstoff-Wertströme (basierend auf dem Jahr 2018)
Wie man aus dieser Abbildung sieht, werden 69 Megatonnen H2 sofort wieder für die Raffinierung und in der chemischen Industrie zur Ammonium-Produktion verwendet. Ammonium wird hauptsächlich zur Herstellung von Kunstdünger für die industrielle Landwirtschaft verwendet.
Ebenso fällt auf, dass derzeit nur 0,01 Megatonnen H2 für den Verkehrssektor verwendet werden. Da die derzeit produzierten Mengen an Wasserstoff sofort wieder in bestimmten Prozessen eingesetzt werden und nur ein marginaler Anteil für den Transportbereich verwendet wird, sind kein großes Transportnetz oder gar ein Handelssystem für Wasserstoff etabliert.
CO2-Emissionen
Wenn man die Berechnung der Standford University aus dem Jahr 2019 mit einem jährlichen Ausstoß von 37.000 Megatonnen CO2 weltweit (4) zugrunde legt, werden somit 2,24 % der weltweiten Emissionen nur durch die Produktion von Wasserstoff verursacht.
Etwaiger zusätzlicher Wasserstoffbedarf für neue Sektoren, wie etwa den Transportbereich, sind in dieser Rechnung nicht berücksichtigt. Zur besseren Einschätzung der Größenordnungen: 2018 wurden weltweit 42 % der CO2 Emissionen durch Strom- & Wärmeerzeugung verursacht, 25 % durch den Verkehrssektor, 19 % durch die Industrie, 6 % durch den Bau und die restlichen 8 % durch andere Bereiche, wie andere erzeugende Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungen (5).
Ist der derzeitige Einsatz von Wasserstoff nachhaltig?
Von den knapp 70 Megatonnen Wasserstoff wurden im Jahr 2019 allerdings nur 0,36 Megatonnen H2 klimaschonend produziert (0,5 % der Gesamtproduktion), für das Jahr 2020 wurden 0,46 Megatonnen (0,7 % der Gesamtproduktion) nachhaltiger Wasserstoff anvisiert (6). Genaue Zahlen liegen zum Stand 09.02.2021 noch nicht vor.
Was mich allerdings überrascht hat, war das der größere Teil (< 0,4 Mt H2) in den CCS-Bereich („blauer“ Wasserstoff) fällt und die Produktion von „grünem“ Wasserstoff auf nur unter 0,1 Mt H2 kommt (7).
Die IEA geht in ihrem Nachhaltigkeitsszenario von einem „grünen“ und „blauen“ Wasserstoffanteil von 7,92 Megatonnen im Jahr 2030 aus. Wenn man sich die folgende Grafik mit der bisherigen Entwicklung im zeitlichen Verlauf seit dem Jahr 2010 ansieht, ist bis zur Zielerreichung im Jahr 2030 noch einiges zu tun.
Regenerative Wasserstoffherstellung 2010 bis 2030
Die Dekarbonisierung der bisherigen Wasserstoffproduktion wäre somit ein guter Beginn in Bezug auf den Klimaschutz, doch selbst bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Selbst wenn wir das Ziel im Jahr 2030 erreichen, haben wir dann nur 11,3 Prozent des heutigen Bedarfs nachhaltig produziert. Zur Wiederholung, dieser Wasserstoff wird hauptsächlich in der chemischen Industrie eingesetzt. Weitere Nutzungen, wie für den Mobilitätssektor oder gar zur Wärmebereitstellung, sind hier noch lange nicht regenerativ gesichert.
Wasserstoff als „Retter der Erneuerbaren Energien“
Neben der Dekarbonisierung der bisherigen Wasserstoffproduktion, wird der Stoff in diversen Diskussionsrunden auch als „Retter“ für die erneuerbaren Energien gesehen. Was versteht man darunter und müssen die Erneuerbaren Energie gerettet werden?
Da die Stromproduktion jahrzehntelang auf Großanlagen ausgelegt war und die Stromnetze entsprechend gestaltet wurden, ist die Netzlandschaft nicht in gleicher Geschwindigkeit, wie die Erneuerbaren Energien ausgebaut worden. Wozu auch? Die Stromerzeuger und Netzbetreiber haben lange Zeit gutes Geld mit großen Anlagen verdient. Und wenn ein Kraftwerk, das buchhalterisch bereits abgeschrieben war, noch immer in Betrieb ist, warum sollte man daran etwas ändern? Besonders, wenn man den Dreck, den der Abbau der Rohstoffe und der Betrieb verursachen, nicht bezahlen muss. Um die gleiche Menge Strom zu erzeugen, sind eine wesentlich größere Anzahl an Photovoltaik- oder Windanlagen nötig.
Ich bin sehr froh, dass sich diese einseitige Sicht nicht komplett durchgesetzt hat und die erneuerbaren Energiequellen sich langsam immer weiter verbreiten. Da aber ein Kohlemeiler im Betrieb nicht so schnell abgestellt werden kann, werden Wind- und PV-Parks abgeschaltet, wenn zu viel Strom im Netz ist. Das wird dann auch „Abregelung“ oder „Abwurf“ genannt. In diesem Zusammenhang wird Wasserstoff oft als Alternative gesehen, um diesen Strom nutzen zu können.
Dazu ein Rechenbeispiel:
Im ersten Quartal 2019 wurden 3,23 Mrd. kWh von deutschen Windparks abgeregelt (9), da die lokalen und die Übertragungsnetze nicht frei waren. Das bedeutet in der Praxis, dass diese Windparks stillgelegt werden und erst nach Freigabe des Netzbetreibers wieder starten dürfen. Der Strom hätte zur Wasserstoffproduktion genutzt werden können. Wenn wir diese Quartalszahl von 3,23 Mrd. kWh auf ein Jahr grob mit 12 Mrd. kWh hochrechnen und durch 4,6 kWh durchschnittlichen Energieaufwand zur Produktion von einem m3 Wasserstoff teilen, würde man rechnerisch 2,6 Mrd. m3 Wasserstoff erhalten. Ich lasse jetzt etwaige Übertragungsverluste aus der Berechnung weg, auch wenn nicht bei jedem Windrad ein Elektrolyseur steht.
Der derzeitige Wasserstoffbedarf in Deutschland beträgt etwa 55 TWh (10). Wenn man diese Zahl durch den durchschnittlichen Heizwert von 3,00 kWh pro m3 H2 dividiert, ergibt das 18,33 Mrd. m3 Wasserstoff. Mit dem Strom von abgeregelten Windparks könnten im Jahr somit etwa 14 % des derzeitig benötigen Wasserstoffs regenerativ mit ansonsten abgeregeltem Strom hergestellt werden. Da der Anteil der Windenergie am deutschen Strommix im Jahr 2019 24,5 % betrug und der Strom aus PV-Anlagen auf 9,1 % kam (11), wird sich die mögliche Erzeugungsmenge von Wasserstoff aus ansonsten „überflüssigem“ PV-Strom nicht maßgeblich erhöhen. Angesichts dieser Zahlen, würde ich sagen: „Besser als nichts.“
Wenn man nun von einem durchschnittlichen Wasserstoffbedarf von 100 TWh (90-110 TWh) im Jahr 2030 in Deutschland ausgeht (12) und diese Zahl durch den durchschnittlichen Heizwert von 3 kWh pro m3 H2 (13) dividiert, ergibt das 33,33 Mrd. m3 Wasserstoff. In diesem Fall reicht der Strom aus diesen abgeregelten Windanlagen für 7,8 % des zukünftigen Wasserstoffbedarfs.
Anhand dieser Zahlen sieht man, dass die Idee mit dem Wasserstoff zur Unterstützung der Erneuerbaren Energien gut gemeint ist, aber von „Rettung“ kann hier keine Rede sein. Es ist sicherlich sinnvoll, vorhandene Kapazitäten zu nutzen anstatt diese aufgrund fehlender oder falscher Netze abzuregeln. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien am deutschen Strommix – wir reden hier noch nicht vom Verkehr oder Wärmesektor – im Jahr 2019 46 % betrug (14). Das bedeutet, dass selbst im Stromsektor hinsichtlich regenerativer Produktion noch viel zu tun ist – dabei sind die Kapazitäten für grünen Wasserstoff noch gar nicht berücksichtigt. Auf dieses Thema gehe ich später nochmals ein.
Die Brennstoffzelle – Seit dem 19. Jahrhundert immer wieder im Gespräch
Ja, Sie haben richtig gelesen. Seit etwa 1838 gibt es immer wieder Versuche die Brennstoffzelle in die großflächige Anwendung zu bringen. Die Raumfahrt und deren spezielle Anforderungen bezüglich Gewicht und Kraftstoff brachten einen Schub für die Technik. Seit den 1990iger Jahren gab es im Fahrzeugbereich diverse Aktivitäten (15), die aber eher im Sande verliefen, bevor asiatische Hersteller in den letzten Jahren das Ruder in die Hand nahmen. Aber dazu kommen wir gleich noch.
Wie funktioniert eine Brennstoffzelle eigentlich?
In einer solchen Zelle wird die im jeweiligen Brennstoff gespeicherte Energie in elektrische Energie umgewandelt. Was braucht man dazu? Eventuell einen Katalysator, auf jeden Fall zwei Elektroden (Anode und Kathode), die porös und elektrisch leitend sind und ein Elektrolyt (flüssig bis fest). Je nach verwendeten Elektrolyten werden die Brennstoffzellen weiter unterteilt, außerdem hängt die Klassifizierung von der jeweiligen Zelltemperatur (zwischen 100 und 600 Grad Celsius) ab (16).
Je nach Art der Brennstoffzelle können verschiedene Brenngase verwendet werden – von Wasserstoff, über Methanol, Kohlenmonoxid bis hin zu Erd- oder Kohlegas. Diese müssen allerdings je nach Zellart mehr oder weniger vorher aufbereitet werden (z.B. mittels Reformer, Shift-Konverter, Scrubber, CO- oder CO2-Abscheidung) (17). Das klingt alles sehr aufwändig. Stimmt, ist es auch. Aber bevor Sie die Brennstoffzelle gleich abschreiben, bedenken Sie, die Gewinnung von Erdöl und die Raffinierung bevor dieses als Diesel oder Benzin an der Tankstelle landet, ist auch nicht ganz trivial. Eines der charmantesten Argumente für die Brennstoffzelle ist, dass aus dem Auspuff solcher Fahrzeuge nur Wasser tropft. Doch warum hat sich diese Technik noch nicht durchgesetzt?
Eine Zeitreise
Deutsche Hersteller waren in den Anfängen dabei – zwischen 1994 und 2002 forschte Mercedes-Benz mit dem NeCar (New Electric Car) an Fahrzeugen mit Brennstoffzellen (18). Von 2003 bis 2007 wurde aufbauend auf den gesammelten Erfahrungen die A-Klasse entwickelt, auf die 2007 eine entsprechende B-Klasse folgte. Ebenfalls zum Start des neuen Jahrtausends kamen andere Spieler auf den Markt. Chrysler, VW, Fiat, GM und Toyota starteten mit Fahrzeugen mit Brennstoffzelle (19). BMW ging mit einem Wasserstoffverbrennungsmotor einen anderen Weg (20). Etwas später zogen noch Ford, Audi und Peugeot nach. 2008 kam mit Honda ein weiterer Anbieter hinzu, Hyundai begann im Jahr 2013. In den letzten Jahren starteten die deutschen Hersteller weitere Versuche (Audi 2014), BWM (2015 und 2019) und Daimler (2018), doch keines der Fahrzeuge wurde irgendwie ernsthaft weiterverfolgt (21).
Apropos ernsthaft, die einzig in Serie fahrenden Brennstoffzellenfahrzeuge im KFZ-Bereich stammen allesamt von asiatischen Herstellern. Honda legte mit dem FCX Clarity (1. Generation) bereits 2008 los. Seit 2016 ist das Fahrzeug in 2. Generation unterwegs. Hyundai folgte mit dem ix35 FCEV ab 2013. Dieses Modell wurde durch den Hyundai Nexo 2018 abgelöst. Der Toyota Mirai startete im Jahr 2014 und das überarbeitete Modell Mirai II kam 2020 auf den Markt (22).
Einsatzgebiete für Brennstoffzellen-Fahrzeuge
Der österreichische VCÖ ist der Ansicht, dass sich
„der Brennstoffzellen- Antrieb vor allem für Bereiche, in denen hohe Reichweiten, das Fahrzeuggewicht, hohe Zuladung, Betrieb bei kalten Umgebungstemperaturen und Betankungszeiten relevant sind“
eignet. Leichtgewichte sind diese Fahrzeuge auch nicht, denn neben den Brennstoffzellen selbst braucht es dennoch eine Batterie, den Motor für die Kraftübertragung und der spezielle Drucktank mit verschiedenen Schichten muss bis zu 700 bar aushalten (23).
Im Umkehrschluss bedeutet die Aussage des VCÖ aber, dass die Entwicklungen im KFZ-Bereich nicht sinnvoll sind. Denn auch wenn die Fahrzeuge geräusch- und emissionsarm im Betrieb sind, ist der Aufwand für die Herstellung des Brennstoffes enorm und der Wirkungsgrad eines wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenfahrzeuges ist nur etwas besser als der des Verbrennungsmotors, womit nicht wirklich etwas gewonnen ist. Zum Thema Wirkungsgrad kommen wir gleich nochmals im nächsten Abschnitt „Power-to-X“.
Wenn wir auf die VCÖ-Aussage zurückkommen, sind vor allem Anwendungen im öffentlichen Verkehr (Busse) oder beim Transport (LKW) sinnvoll. Die Wiener Linien haben einen solchen Bus des polnischen-spanischen Herstellers Solaris bereits getestet und waren damit zufrieden (24). Mercedes-Benz entwickelt auch Brennstoffzellen-Busse, die mit Wasserstoff fahren sollen (25). Im LKW-Bereich tut sich ebenfalls einiges. Hier liegt Hyundai vorne, das südkoreanische Unternehmen liefert seit 2020 mit dem „Xcient Fuel Cell“ den ersten in Serie gebauten Schwerlast-Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-System für etwa 400 Kilometer Reichweite (26).
Manchmal geht das Thema Wasserstoff auch kuriose Wege im Bereich Schwerlast:
Hier in der Region Tirol wird gerne ein Leuchtturmprojekt hochgehalten: Die Zillertal-Bahn soll auf Wasserstoff umgestellt werden. Es handelt sich dabei um eine Lokalbahn vom Bahnhof Jenbach hinein bis Mayrhofen ins Zillertal. Derzeit wird die Strecke noch mit Dieselloks befahren und eine Veränderung ist nötig (27). Einfacher wäre es, die Strecke mit Leitungen zu elektrifizieren und elektrische Standardloks zu verwenden, aber das wird kategorisch abgelehnt. Argumente, wie der visuelle Einfluss der Leitungen auf das Landschaftsbild, werden geltend gemacht. Da kommt die Wasserstofflok gerade richtig. Und mit derzeit geplanten Investitionen von 80 Millionen Euro für die Loks, die Anlagen zur Wassertstoffherstellung und Betankungen ist das für eine Bahnstrecke in der Länge von 31,7 Kilometer definitiv ein Leuchtturmprojekt. Zum Vergleich: Eine komplette ICE-Garnitur kosten zwischen 20 und 30 Millionen Euro.
Hochtrabende Wasserstoff-Pläne – Power to X
Als langjährige Beobachterin der Automobilbranche sehe ich derzeit auch große Agilität und Aufruhr beim Thema Wasserstoff. In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff „Power to X“ (PtX). Kurz gesagt, geht es dabei um
- Stoffe (Power to Chem, Power to Fuel),
- Gase (Power to Gas) und
- Flüssigkeiten (Power to Liquid, kurz PtL),
die synthetisch mithilfe von Strom hergestellt werden. Da der Prozess vielseitig ist, sagt man „X“ (28) (29).
Sie können sich vielleicht noch an das Thema Elektrolyse erinnern. Dabei werden aus Wasser (H2O) und Strom Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2), beides in Gasform, gewonnen. Setzt man noch mehr Energie ein, kann man den Wasserstoff zuerst verdichten und anschließend auch verflüssigen. Wird bei der weiteren Verarbeitung dem gasförmigen Wasserstoff noch CO2 zugesetzt, erhält man Methan (30).
Die derzeitige Euphorie dreht sich aber um das Thema E-Fuels. Dazu wird der Wasserstoff aufwändig im Fischer-Tropsch-Verfahren gemeinsam mit Kohlendioxid (CO2) verflüssigt. So erhält man flüssige Kraftstoffe, wie synthetischen Diesel oder Kerosin, welche in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können (31).
Die folgende Übersicht vom Öko-Institut zeigt die verschiedenen Verarbeitungen sehr anschaulich:
Dabei wird deutlich, dass sehr viel Aufwand nötig ist und entsprechende Umwandlungsverluste zu berücksichtigen sind. Wenn man dann noch bedenkt, dass man diesen aufwendig aus bereits energieintensivem Wasserstoff hergestellten Stoff, dann einfach in einem Verbrennungsmotor mit einem Umwandlungsverlust von mehr als 70 % verbrennt, ist das gelinde gesagt, der energetische Wahnsinn.
Exkurs: Der Wirkungsgrad
Die Vielseitigkeit von Wasserstoff wird von dessen Verfechter:innen gerne angeführt. Das stimmt. Doch muss uns auch bei diesem Thema klar sein, dass
die beste Energie die ist, die wir nicht benötigen.
Ein moderner Verbrennungsmotor hat vom Beginn der Prozesskette, von der Erdölförderung über die Raffinierung und den Transport bis zur Verbrennung einen Gesamtwirkungsgrad von 22 % (Benziner) bis 25 % (Diesel) (33). Das liegt vor allem daran, dass etwa 75 % des Energiegehaltes des Kraftstoffes im Tank durch den Verbrennungsmotor im wahrsten Sinne verbrannt werden und nur ein Viertel in Bewegung umgesetzt wird (34). Oder um es mit einem Beispiel von Zukunftsforscher Lars Thomsen zu beschreiben: Sie machen sich eine schöne Flasche Wein auf, gehen dann zum Waschbecken, leeren 3/4 davon weg und sagen: „Der Rest ist ja noch gut, den können wir noch trinken.“
Das Beispiel ist krass, trifft es aber absolut. Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, dass konventionelle Fahrzeuge als „ineffiziente Heizungen“ durch die Gegend fahren. Das Zitat stammt vom Ökonomie-Physiker Mario Buchinger. Es kann also nicht für die Zukunft sinnvoll sein uns mit so einer schlechten Leistungsbilanz zufrieden zu geben.
Daher finde ich die Euphorie um Power-to-X und die bereits genannten E-Fuels absolut nicht angebracht. Denn wie wir bereits gesehen haben, ist der Aufwand um den Wasserstoff und anschließend aus diesem den Kraftstoff herzustellen schon enorm. Wenn man als nächsten Schritt diesen Kraftstoff in einem Verbrennungsmotor mit etwa 25 % bis 30 % Effizienz verbrennt, kommt man auf einen Gesamtwirkungsgrad von 12 bis 20 %. Aber nur wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Wird der Wasserstoff aus Erdgas hergestellt, fällt die Rechnung noch schlechter aus.
Das Brennstoffzellenfahrzeug mit Wasserstoff aus regernativer Herstellung schneidet laut dieser Grafik mit einem Wirkungsgrad von 25 bis 35 % etwas besser als konventionelle Verbrennerantriebe ab. Das liegt am bereits beschriebenen Herstellungsprozess und der notwendigen weiteren Behandlung. Beispielsweise fallen für die Verflüssigung des Wasserstoffs 12 % Verlust an. Die Brennstoffzelle arbeitet mit einem Wirkungsgrad von etwa 60 bis 70 % und der Strom von der Brennstoffzelle muss im Motor erneut mit Verlusten in Bewegungsenergie umgewandelt werden (36).
Wenn wir als abschließende Größe ein E-Fahrzeug vergleichen, dass ebenfalls mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betankt wird, hat das mit etwa 70 bis 80 % Gesamtwirkungsgrad die Nase weit vorne.
Anhand dieser Zahlen sieht man, dass die derzeitigen Rufe nach Wasserstoff und E-Fuels im normalen KFZ-Bereich jenseits von Gut und Böse sind. Denken Sie bei der nächsten Flasche Wein daran.
Weitere Einsatzgebiete für Wasserstoff: Gasnetz & Wärme
Grundsätzlich kann man Wasserstoff im vorhandenen Gasnetz zu einem gewissen Anteil einspeisen und wieder entnehmen, um damit Energie zu erzeugen. Dabei könnten Turbinen mit Kraft-Wärmekopplung oder Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. Anhand der bisher vorhandenen Erzeugungskapazität ist aber schlichtweg kein Wasserstoff für diese Variante vorhanden.
Die Möglichkeit das Gas in speziellen Brennern in Wärme umzuwandeln, wäre technisch sicherlich kein Problem. Es wäre allerdings die schlechteste aller Lösungen, da vorher mit viel Aufwand ein Gas hergestellt wird, dass dann mit niedrigem Wirkungsgrad in Wärme verwandelt und sich diese im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auflöst.
Doch wohin geht die Wasserstoff-Reise? Lesen Sie mehr über die aktuellen Visionen in Europa und weltwelt und wie realistisch diese Vorstellungen sind, im nächsten Blogbeitrag. Wenn Sie bis dahin Fragen oder Anregungen haben, freue ich mich über Ihre Nachricht.
Beste Grüße,
Ihre Marlene Buchinger
Quellen:
- IEA – Fuels & technologies – Hydrogen, abgerufen am 16.01.2021
- IEA – Fuels & technologies – Hydrogen, abgerufen am 16.01.2021
- IEA, Report „The Future of Hydrogen”, 2019, S. 32
- Standford University – News Service, abgerufen am 16.01.2021 – Link nicht mehr verfügbar
- Statista, abgerufen am 17.01.2021
- IEA – Fuels & technologies – Hydrogen, abgerufen am 16.01.2021
- IEA, Report „The Future of Hydrogen”, 2019, S. 32
- IEA – Fuels & technologies – Hydrogen, abgerufen am 16.01.2021
- BNEW, abgerufen am 17.01.2021
- BMWI Deutschland, „Die Nationale Wasserstoffstrategie“, Stand 06/2020, Seite 6
- Strom-Report.de, abgerufen am 17.02.2021
- BMWI Deutschland, „Die Nationale Wasserstoffstrategie“, Stand 06/2020, Seite 5
- HRS – Heiz- und Brennwerte, abgerufen am 21.01.2021 – Link nicht mehr verfügbar
- Strom-Report.de, abgerufen am 17.02.2021
- Zahoransky, R.A., Energietechnik, 2009, S. 196
- Zahoransky, R.A., Energietechnik, 2009, S. 197 ff.
- Zahoransky, R.A., Energietechnik, 2009, S. 205 ff.
- Wikipedia – Necar, abgerufen am 22.02.2021
- Wikipedia – Brennstoffzellenfahrzeug, abgerufen am 22.02.2021
- Wikipedia – 750hL, abgerufen am 22.02.2021
- Wikipedia – Brennstoffzellenfahrzeug, abgerufen am 22.02.2021
- Wikipedia – Liste von Brennstoffzellenautos in Serienproduktion, abgerufen am 22.02.2021
- VCÖ, Factsheet „Grünen Wasserstoff sinnvoll im Verkehr einsetzen“, 2020-02, S. 1
- Wiener Linien – Blog, abgerufen am 22.02.2021 – Link nicht mehr verfübar
- Business Insider, abgerufen am 22.02.2021
- Ecomento.de, abgerufen am 24.02.2021
- Orf.at, abgerufen am 22.02.2021
- BMU, abgerufen am 17.01.2021
- Fona, abgerufen am 16.01.2021
- Öko-Institut e.V., abgerufen am 16.01.2021
- Öko-Institut e.V., abgerufen am 16.01.2021
- Öko-Institut e.V., abgerufen am 17.01.2021
- Auto Motor Sport.de, abgerufen am 24.02.2021
- Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten“ Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor, 2017, S. 86
- Sachverständigenrat für Umweltfragen, Sondergutachten“ Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor, 2017, S. 86
- Auto Motor Sport.de, abgerufen am 24.02.2021